Tanzania kwaheri!

Meru und Kili - zwei wunderbare Gipfelerlebnisse.

Bericht von Urs Gisler, 10.11.2021

Sonntagmorgen, 00.00 Uhr, Kibohütte, 4706 müM: Geschlafen haben wir nichts… zwei, drei Biskuits sind verzerrt, der letzte heisse Schluck Tee geschlürft…los gehts zur Schlussetappe hinauf zum Kilimanjaro.

Unser Guide Godlisten übernimmt die Führung. Langsam gehen wir die Sache an, es gilt, einen 800 m hohen Schutthang zu überwinden. Da würde wohl nie jemand hoch, wenn das nicht der direkteste Weg hinauf zum Kili wäre. Wir steigen Schritt für Schritt auf, langsam, pole pole statt volle Pulle. Bald schon schalten wir, wie schon oft an diesem Berg, in den Meditationsmodus. Keine Worte, man hört nur den Atem und die schweren Schritte im Geröll. Zeit also, die vergangenen acht Tage Revue passieren zu lassen:

In einem wunderschönen Aufstieg - begleitet von einem bewaffneten Ranger - erreichten wir die Miriakambahütte. Es folgte das auch für die kommenden Tage gültige Prozedere: Zimmerbezug (wir hatten drei Vierbettzimmer für unsere 7ner-Gruppe), kurz das Gesicht waschen, Pop-Corn essen und Tee trinken, ausruhen. Das Trekking ist eine Jubiläumsveranstaltung unseres Firmensportclubs. Sieben Mitglieder haben sich dazu angemeldet, eine lustige Gruppe. Nach der ersten Nacht auf 2700 m stiegen weiter hoch zur Saddlehütte, statteten dem Kleinen Meru einen Besuch ab, ehe wir eine Stunde nach Mitternacht zum Grossen Meru starteten. Da ging gleich die Post ab, in unzähligen Kehren erreichten wir den Rhino Point. Nun folgten die schwierigsten Stellen. Bei Godys «langsam/langsam» wussten wir, dass es sich zu konzentrieren galt. An den ausgesetztesten Orten hat es Ketten, die Stirnlampen leisteten gute Dienste, wir erahnten damit, wo man tief unten mit einem Misstritt landen könnte. Bald endete diese T3-Passage und der Weg führte uns leicht über den Ostgrat.

In der Zwischenzeit kann ich die Stirnlampe am Kiliaufstieg ausschalten, der fast volle Mond strahlt genügend hell. Bereits haben wir die erste Gruppe eingeholt, weit oben sehen wir aber noch viele andere Lichter von früher Gestarteten.

Am Mount Meru waren sehr wenige Leute unterwegs. Das Feld zog sich etwas in die Länge, wie auch der ganze Aufstieg. Wir waren schon über vier Stunden unterwegs, als wir bemerkten, dass es knapp wird für den Sonnenaufgang am Meru. Wir versuchten etwas schneller zu gehen, doch mehr als 200 Höhenmeter bei mässig steilem Gelände schafft man auf dieser Höhe nicht.

Am Kili hört man nur die Geräusche von Geröll und der Stöcke, zwischendurch mal ein Hüsteln oder tiefes Ausatmen. Wir sind gut unterwegs, ca. 220 Höhenmeter pro Stunde, das kommt gut, keine Kopfschmerzen, keine Übelkeit und Schwindel.

Wie war doch das beim Meru? Wir erblickten den schwarzen Schatten des Gipfels, noch verblieben uns ca. 30 Minuten bis zum Sonnenaufgang. Gody verschärfte das Tempo, das Gelände wird steil und die Kombination daraus war hart: glühende Lungen, schnelles Atmen, brennende Oberschenkel, die letzten 20 Minuten wurden zur Tortur. Noch 20, noch 10 Meter, ja pünktlich zum Sonnenaufgang erreichten wir den fünft höchsten Berg Afrikas! What a feeling, ein grossartiges Wolkenmeer, am Horizont der glühende Kilimanjaro und rechts davor die feuerrote Sonnenkugel, ein Schauspiel extra Klasse! Wir umarmten uns, das erste grosse Ziel war erreicht. Der Gipfel hat eine - auch bei dünner Luft - gut zu merkende Höhe: 4-5-6-7 müM.

Der Abstieg vom Meru war einfach, auf der letzten Etappe begegneten wir Giraffen, Zebras und Büffeln, ein tolles Gefühl, Teil dieser Natur zu sein.

Beim Kiliaufstieg erreichen wir unterdessen die Hans Meyer Höhle. Wir liegen gut in der Zeit, die Hälfte ist geschafft, nur die vorausgehende Gruppe scheint noch schneller zu sein, den Grund dafür werden wir am Gipfel erfahren.

Das ganze Meru-Team stand uns auch für den Kili zur Verfügung. Die 20 Träger schleppten neben unserem Gepäck auch noch alles Wasser (auch der Tee und die Suppen wurden mit Trinkwasser zubereitet!), Gas, Lebensmittel etc.

Die beiden Köche zauberten vorzügliche Gerichte auf den Tisch, die beiden Waiters servierten das Essen, waren aber auch für das heisse Wasser zum Waschen und für die Bettflaschen verantwortlich.

Der Aufstieg von Marangu war lang, Mandarahütte, Horombohütte, dazwischen immer wieder Nebel. Die Umgebung änderte sich von Regenwald über Steppen (mit verbrannten Bäumen des letztjährigen Waldbrandes) bis zur Wüste. Die Nächte waren ziemlich feucht und kalt. Die Aufstiege nie wirklich steil, Leute waren nicht sehr viele unterwegs. Die meisten Bergsteiger schienen gut vorbereitet zu sein. Es gab auch welche, die sich das Mountainbike raufschultern liessen, einer davon war ein junger Bursche, der sich nicht ans langsame Laufen hielt und sein Körper aufs Äusserste forderte, wenn das nur gut kommt….

In der Zwischenzeit haben wir die Schutthalde hinter uns gelassen. Noch zeigt sich die Sonne nicht und die Temperaturen sinken weiter. Schwächeanzeichen werden sofort mit Schoggi und Cocci behandelt, so dass wir alle die restlichen 200 Höhenmeter bis zum Gilmans Point weiterhin im Gleichschritt erklimmen können. Genau nach fünf Stunden erreichen wir den Kraterrand, im Dunkeln gratulieren wir uns zu diesem Teilerfolg, doch wir wollen mehr! Der Wind bläst nun sehr stark, warme Handschuhe und Daunenjacke kommen zum Einsatz. Nun geht es im Auf und Ab zum Stella-Point. Links unten sehen wir über zwanzig Lichter, das sind die Machame-Aufsteiger, harte Kerle, auf dieser Route muss man in Zelten übernachten! Wir laufen langsam auf dem Zahnfleisch. Noch 150 Höhenmeter, das ziiieht sich, die Batterien sind leer und der Wind laugt einem aus. Gegenseitig motivieren wir uns. Auch die Natur trägt dazu bei: ein oranger Strich ziert den ganzen östlichen Horizont, langsam schiebt sich die Sonne über die Vorgipfel, ein unvergesslicher Moment, der uns zum ultimativen Endspurt anstachelt. Manu zeigt auf den Gipfel, den packen wir! Yess, alle zusammen erreichen wir gleichzeitig den Uhuru Peak, 5895 müM, Umarmungen, Küsschen, ja sogar einzelne Freudentränen sind auszumachen! Und alle wohlauf, keine Übelkeit, keine Kopfschmerzen. Wir posieren für das Gipfelfoto, wir reaktivieren die Kantonsfahne, die wir anlässlich unseres Jubiläumsjahres 2014 auf alle höchsten Gipfel aller 26 Kantone mitgetragen haben! Ein cooles Gefühl, auf dem Top of Africa zu stehen! Kurz vor uns ist die Gruppe der fitten Skyrunnerinnen angekommen, klar, dass die noch etwas schneller waren als wir, unter ihnen auch die weltbekannte nepalesische Trailrunnerin Mira Rai.

Wir bleiben nicht lange, sind aber fasziniert von der Landschaft, dort wieder ein Stück Gletscher, dann wieder Büssereis, der gewaltige Krater und das alles bei bestem Sonnenschein! Was wir in mühsamen fünf Stunden Aufstieg erreicht haben, surfen wir nun über Geröll in knapp einer Stunde zur Kibo-Hütte hinunter. Unterwegs sehen wir, wie ein junger Mann von zwei Guides hinuntergeführt wird. Wir erkennen ihn sofort wieder, er sieht nicht gut aus. Unser Bergführer Ruedi erkennt die besorgniserregende Situation, steigt rund 200 Höhenmeter runter um Sauerstoff zu holen, versorgt den Jungen und trägt ihn nachher die rund 800 Meter hohe Geröllflanke hinunter, eine Wahnsinnstat, Chapeau! Von der Kibo-Hütte ist der Sanitätstransport bestens organisiert, Rollbahre bis zur Horombohütte und von dort mit dem Krankenauto hinunter nach Marangu. Obwohl nicht viele Leute unterwegs waren, sahen wir den Krankenautotransporter drei Mal im Einsatz.

Wir selber geniessen auf der Kibo-Hütte Suppe und Tee, bevor es gemütlich zur Horombohütte geht. Hier werden wir mit einem feinen Gratulationskuchen überrascht. Am nächsten Tag folgen die restlichen 2000 Höhenmeter runter nach Marangu, wo wir auf die erfolgreiche Besteigung anstossen können.

Die folgenden Tage sind Zugabe, schöne Zugaben im Sinn von Safari im Ngorongoro-Krater und im Nationalpark Tarangire. Die vielen Tiere, die tolle Landschaft und die gute Stimmung sind ein krönender Abschluss unseres Trekkings, Tanzania kwaheri!