In 201 Stunden von Punta Arenas auf den Mount Vinson und zurück ...

... Oder alles richtig gemacht mit dem nötigen Wetterglück.

Bericht von Klaus Portmann, 06.12.2019

23./24.11.2019

Für die Anreise von Zürich via Madrid, Santiago nach Punta Arenas brauchten wir 28 ½ Stunden. Etwas übermüdet wurden wir drei: Stefan, Alexander und ich, Klaus von unserem Bergführer Andreas bei schönstem Sonnenschein am Flughafen empfangen. Per Minivan fuhren wir ins Hotel im Zentrum von Punta Arenas und kurz danach fürs Apero bzw. gegenseitigem Beschnuppern in die Disidente Speakeasy Bar, gefolgt von dem Genüssen der chilenischen Küche im Los Ganaderos.

25.11.2019

Den Morgen verbrachten wir mit dem Kontrollieren und Verpacken des benötigtem Materials für unser Antarktisabenteuer. Kompliziert wurde die ganze Geschichte dadurch, dass Stefans Gepäck am Ausgangsort zurückblieb und bis zum heutigen Tag nicht aufzufinden ist. Das bedeutete, das ganze, benötigte Material auszuleihen oder neu zu kaufen. Mitte Vormittag holten uns die Leute von der ALE (Antarctis Logistic & Expeditions) ab und unser Gepäck wurde peinlich genau gewogen und eingecheckt, dies beinhaltete ebenso Zelte und Verpflegung für rund 14 Tage (schliesslich ist es nie sicher, ob am Ende der Expedition in der Antarktis dann auch Flugwetter herrscht). Mit dem schönen Wetter war es vorerst vorbei, es regnete ununterbrochen. Der einzige Programmpunkt am Nachmittag: ein Briefing bei der Agentur ALE, die Leute machten uns mit den Begebenheiten des Fluges und dem Verhalten in der Antarktis vertraut. Total werden 33 Personen den Flug zum Union Glacier Camp antreten, 10 davon mit dem Ziel Mount Vinson. Ab sofort hiess es, innert 30 Minuten könnten wir vom Hotel abgeholt werden, um unser Abenteuer zu beginnen. Bereits um 19 h unterrichtete uns Andreas, dass aufgrund der Wetterverhältnisse heute nicht geflogen werden könne. Grund genug im Restaurant Magellanico weitere Kilokalorien in Form von grossen Filets bzw. Steaks einzufahren.

26.11.2019

Um 7.30 h kam Andreas vorbei, wir fliegen heute. Schliesslich holte uns ein Bus der ALE ab und brachte uns zum Flughafen, komisch und vor allem heiss – wir in unseren Expeditionsschuhen und Daunenkleidern – auch so geht es durch die Security Kontrolle. Um 11 h startete die mächtige, 20 rädrige Iljuschin Il-76 ins 3043 km entfernte Union Glacier Camp. Start und Landung werden auf einem grossen Bildschirm gezeigt, im Inneren ist es entsprechend laut. Kabel, Kräne – alles ist offen zugänglich und es herrschen 10 Grad Celsius. Nach 4 Std. 20 Minuten landeten wir auf der 3 km langen Gletscherlandebahn (800 m ü M). In hochrädrigen Fordtrucks schafften wir die 8 km lange Fahrt zum Camp. Es folgte eine kurze Information über die Örtlichkeiten bevor wir um 18 h die letzte Etappe an Bord einer De Havilland Twinotter ins Basecamp des Mount Vinson (2140 m ü M) antraten. Dort landeten wir nach einem rund 50 minütigem, absolut genialem Flug, der in rund 1500 m Höhe über die unendlich scheinende Weiten der Antarktis, die Berge erscheinen wie Inseln im Meer und begannen sofort mit dem Aufstellen der zwei Schlafzelte. Das Ausgraben der Tonne mit dem Küchen- bzw. Aufenthaltszelt, ein wahrer Gourmettempel, das vor zwei Jahren vergraben wurde, war trotz Einsatz von Andreas bis fast um ...

27.11.2019

... vier Uhr vergeblich. Das bedeutete erst einmal Kochen im Vorzelt unter schwierigeren Verhältnissen. Schliesslich fanden wir die Tonne im herrschenden Schneesturm in gut drei Metern Tiefe doch noch (das Video: ein Hit). Kaum gefunden, liess der Wind und nach und ein Aufstellen des Zeltes zu. Gestärkt durch ein gutes Essen, machten wir uns um 17.30 h angeseilt und mit Schlitten im Schlepp auf den Weg Richtung Low Camp. Nach 4 Std bzw. knapp 500 m Aufstieg machten wir ein Depot und stiegen wieder ab ins Lager, wo wir kurz nach 23 h ankamen, die Lichtverhältnisse sind kein Problem, schliesslich geht die Sonne bis zu unserer Rückkehr aus der Antarktis nie unter.

Total 5 Std. 35 Marschzeit mit knapp 500 m Auf-/bzw. Abstieg

28.11.2019

Ich „genoss“ die Tatsache enorm, meinen Schlafsack wieder wie bei früheren Expeditionen mit den Innenschuhen, den nassen Klamotten, Handschuhen, Kamera, Natel, Sonnencreme, Bisiflasche zu teilen – einzige Möglichkeit, Dinge zu trocknen und vor dem Gefrieren zu verschonen. Trotzdem blieben wir bis um 10 h in den Schlafsäcken liegen. Das Essen beansprucht vor allem wegen dem Schmelzen von Schnee viel Zeit. Salami, Schinken, Brot – alles mehr oder weniger gefroren und wird darum in der Bratpfanne aufgewärmt. Das A und O einer solchen Expedition sind die Wetter-prognosen vom Union Glacier Wetterdienst, zentral vor allem die Infos zurWindstärke auf Gipfelhöhe und dies Tage zum Voraus. So zögerten wir vorerst trotz schönem Wetter weiter aufzusteigen. Schliesslich starteten wir um 14.20 h dennoch, um unserem Ziel näher zu kommen. Diesmal brauchten wir trotz schwereren Schlitten nur 3 ¾ Std. bis zu unserem Depot und der weitere Weg ins 2780 m hohe Low Camp zog sich enorm in die Länge. Vom ersten Blick aufs entfernte Lager dauerte es immer noch 40 Min. bis wir dann auch dort ankamen, dies war um 21 h der Fall. Sofort machten wir uns im beginnenden Schneetreiben ans Aufstellen neuer Zelte. Bis wir in den Schlafsäcken lagen, war es erneut 23.30 h.

Total 6 Std. 35 Marschzeit mit 700m Auf- bzw. 50 m Abstieg

29.11.2019

Um 00.10 war Andreas mit Kochen beschäftigt, eine warme Suppe, die wir um 01.10 h verzehrten. Um 11 h weckte mich der Kocher im Nachbarzelt. Nach dem „Morgen“essen stellten wir ein neues Kochzelt auf, das durch Abgraben des Schnees zum Esszelt inkl. Kochinsel und Sitzbänken umfunktioniert wurde (eine Isolationsauflage ist von Vorteil). Ein Punkt ist die Tatsache, dass ausser Fussspuren möglichst nichts in der Antarktis zurückbleiben soll. Die einzige Ausnahme sind markierte Stellen im Eis/Schnee, wo Pee Wholes gebohrt werden, das gilt auch für unterwegs – abseits solcher Orte kommt die Bisiflasche zum Einsatz. Fürs grosse Geschäft werden Shitbags verwendet, wind-geschützt ist ein unten offener Toilettensitz installiert, ein grosser Plastiksack wird so draufgelegt, dass er überall überhängt – am Ende wird der persönliche Sack in einen mit Zipverschluss zweiten Plastiksack verpackt und beim Schlafzelt im Schnee deponiert, es dauert nicht lange und alles ist gefroren. Erneut bekochte uns Andreas mit Suppe, gefolgt von Makkaroni an Tomatensauce mit Rindssteaks. Schon um 18 h liegen wir erneut in den Schlafsäcken – es herrschte leichter Schneefall, war garstig, zum Glück windstill. Später als sich die Sonne zeigte, sassen wir noch lange zusammen im Esszelt.

30.11.2019

Erst um 1.30 h kehrten wir in die Schlafsäcke zurück. Um 12 h „Morgen“essen, bevor wir um 14.10 h aufbrachen, um mit montierten Steigeisen Depotmaterial ans Ende der Fixseilstrecke (3580 m ü M) zu bringen. Nach 45 Min. standen wir am Beginn der Fixseile und begannen den beschwerlichen, teils bis 40 Grad steilen Aufstieg. Bei auffrischendem Wind erreichten wir 4 Std. später das obere Ende. Nach dem Deponieren vorab von gefriergetrockneter Nahrung und erst später benötigtem Material machten wir uns unverzüglich an den Abstieg und waren um 20 h zurück im Low Camp. Mit Nudelsuppe, Poulet mit Makkaroni an Tomatensauce gestärkt verschwanden wir gegen Mitternacht in den Schlafsäcken, es schneite seit Stunden.

Total 5 Std. 50 Marschzeit mit 800 m Auf-/Abstieg

1.12.2019

Nach dem üblichem, späten Morgenessen starteten wir trotz fehlendem Wetterbericht (im Basecamp haben sie Probleme mit der Emailverbindung zum Union Glacier Camp) um 13.40 h erneut und erreichten trotz bedeutend schwererem Gepäck via Fixseile bei schönstem Wetter unser gestern angelegtes Depot in gut 4 Stunden. Mit noch schwereren Rucksäcken, die entsprechend drückten, stiegen wir weiter auf und nach gefühlter Ewigkeit erblickten wir nach einer letzten Schneewächte das vor uns liegende Highcamp (3780 m ü M) um 19.45 h. Zum Glück legten Kobler und Partner auch hier vor zwei Jahren ein Depot mit Zelten zwischen den Felsen an, so dass zumindest dieses Materialschleppen entfiel. Nach dem Aufstellen des Camps schmolzen wir Wasser und „kochten“ so das gefriergetrocknete Abendessen.

Total 6 ¼ Std Marschzeit mit 1045 m Aufstieg

2.12.2019 – GIPFELTAG

Auch wenn die Wetterprognose für den Folgetag besser lautete, waren wir heute schon um 8.30 h mit Schneeschmelzen beschäftigt. Um 10.20 h starteten wir im Nebel zum Gipfel. Kaum 100 Höhenmeter weiter oben empfing uns blauer, wolkenloser Himmel. Nach Pausen um 12 h (4100 m), 14.45 h (4600m) erreichten wir um 17h den Grat, auf dem wir nach Überwinden kurzer Kletterstellen um 17.45 h bei schönstem Wetter und praktisch windstillen Verhältnissen auf dem höchsten Punkt der Antarktis, dem 4892 m hohen Mount Vinson standen. Bei -18 Grad Celsius verbrachten wir die nächste halbe Stunde schlicht und ergreifend mit Staunen bzw. dem Schiessen verschiedenster Gipfelfotos bzw. Panoramabilder. Trotz Müdigkeit aufgrund der grossen Anstrengung machten wir uns zufrieden über den Erfolg und die tollen Verhältnisse um 18.15 h an den Abstieg und gelangten nach nur gerade gut 2 Std. um 20.20 h zurück ins Lager, wo uns die anderen Gruppen, die heute einen Ruhetag einlegten zu unserem Erfolg gratulierten. Gross gekocht wurde nicht mehr, wir waren alle zu müde.

Total 10 Std unterwegs mit 1270 m Auf-/Abstieg

3.12.2019

Um 9.45 h informierte uns Andreas, dass wir in 2 Std. zum Abstieg ins Basecamp starten. Bis gefrühstückt, Schnee geschmolzen, alles gepackt, Zelte abgebrochen und das Depotmaterial verstaut war, wurde es 11.30 h. Schwer beladen gelangten wir nach nur gerade 17 Min. ans obere Ende der Fixseilstrecke und nach insgesamt 1 ½ Std. waren wir zurück im Low Camp. Hier hiess es erst einmal Steigeisen entfernen und erneut das zurückgelassene Lager abzubrechen, doch diesmal luden wir möglichst all unser Gepäck auf die Schlitten und starteten mit nur leichten Rucksäcken um 14.30 h zum Rückmarsch ins Basecamp. Erschwert durch die ca. 20? cm Neuschnee – man brach bei jedem zweiten Schritt tief ein – bewältigten wir die erste, mehr oder weniger horizontal verlaufende Hälfte des Wegs bei schon fast sommerlichen Temperaturen zum nie auftauchend wollenden Depotplatz, so war zumindest mein Eindruck. Von dort weg ging es nur noch runter, ca. 100 Höhenmeter oberhalb des Basecamps tauchten wir in den Nebel ein – gleichbedeutend mit der Tatsache: heute wird nichts mit Rausfliegen. Um 18.30 h waren wir am Ausgangspunkt angelangt – beglückwünscht von den Rangern des Basecamps öffneten wir die gebunkerte Champagnerflasche, dehydriert und ausgehungert wie wir waren, liess die Wirkung des Alkohols nicht lange auf sich Warten. Nach dem Einrichten in den zurückgelassenen Zelten rief uns Andreas schon bald einmal zum Essen: Spaghetti mit Meeresfrüchten, gefolgt von Steaks und gebratenen Tomaten mit Zwiebeln und Knoblauch. Schon um 22.30 h steckten wir in den Schlafsäcken.

Total 5 Std. Marschzeit mit 19 m Auf- bzw. 1723 m Abstieg

4.12.2019

Um 9 h verkündete Andreas „Abflug in 2 Stunden“, parallel wurde nun gepackt, Gourmettempel abgebaut und in einer Tonne verstaut, Schnee geschmolzen, Zelte abgebrochen, das 3 m tiefe Loch bis zur Hälfte mit Schnee zugeschüttet und die diesmal mit einer gelben Schnur versehene Tonne horizontal in gut einem Meter Tiefe erneut unter Schnee vergraben wurde. Glücklicherweise hiess es einmal, der Flieger käme eine Stunde später, so waren wir gerade fertig als die Twinotter auf der Schneedecke sanft aufsetzte. Es wurden letzte Bilder von uns vier erfolgreichen Bergsteigern mit Mount Vinson, Flugzeug und Vinson Schneeskulptur geschossen. Start um 12 h und nach einem wunderschönen Flug über das Vinson-Massiv landeten wir 35 Min. später in unmittelbarer Nähe zum Union Glacier Camp. Kaum ausgestiegen erblickten wir die anfliegende Iljuschin, die unverkennbar eine schwarze Rauchschleppe hinter sich herzog – für uns absolut perfekt, war doch das gleichbedeutend mit heutigem Rausfliegen und nicht noch einmal Zelte aufstellen. Es bedeutete aber gleichzeitig auch schon fast Stress: kurz etwas essen im geheizten Fram-Zelt, endlich wieder einmal auf Stühlen am Tisch sitzen ohne sich den Hintern abzufrieren, gefolgt von einem teuerem Besuch im Union Glacier Shop und dem Einchecken der Gepäckstücke. Wir verabschiedeten uns von Stefan, er bleibt ein paar Tage bevor er sein zweites Abenteuer „last degree“ zum Südpol in Angriff nimmt. Wir wurden mit den Fordtrucks zur Transportmaschine gebracht und starteten um 15.45 h zurück nach Punta Arenas, wo wir nach 4 ¼ Std. kurz nach 20 h landeten. Beim Ausstieg empfing uns zwar Sonne, aber die Windstärke enorm. Per Bus wurden alle Flugpassagiere, auch diejenigen, die Pinguine oder den Südpol besuchten, vor ihren Hotels abgeladen. Bei uns war das um 21 h der Fall, welch ein Genuss nach 8 Tagen unter der Dusche zu stehen. Erst um 22 h waren wir beim Apero in unser „Stammbar“, weiter ging es ins Rest. Magellanico, wir sprachen am Mount Vinson die ganze Zeit davon, das 850 Gramm schwere Tomahawk Steak zu verdrücken. Wir sassen schon am Tisch als der Kellner uns mitteilte, heute nur Fisch. Enttäuscht verliessen wir das Lokal, im nächsten hiess es, sorry, Restaurant geschlossen – kein Wunder, schliesslich war es schon 23 h – ebenso erging es uns in der dritten Gaststätte. Trotzdem blieben wir nicht hungrig und fanden ein Restaurant, das uns Willkommen hiess und wir genossen ein Bife de Chorizo und gutem Wein bis wir ...

5.12.2019

... um 1 Uhr bei stürmischem Wind gesättigt den Weg Richtung Hotel unter die Füsse nahmen, allerdings nicht ohne einen Zwischenstop im Cafe Pub Colonial einzulegen, wo wir ausgiebig auf den Erfolg anstiessen. So legten wir uns um 3.30 h ins weiche Bett - was für ein herrliches Gefühl, das Bett mit keinen anderen Gegenständen zu teilen. Ich bin überzeugt, dass wir einschliefen, kaum dass unser Kopf das Kissen berührte. Nach einer kurzen Nacht sassen wir um 10/11 h beim Morgenessen, schauten uns Fotos und Videos an und besprachen das weitere Vorgehen. Statt am 10. Dezember reisen wir schon morgen zurück. Das bedeutete die entsprechenden Dinge zu organisieren. Andreas war mit Retablieren des Materials beschäftigt. Alexander und ich erkundeten Punta Arenas und machten letzte Einkäufe. Mit dem angedachten Ausflug zur Pinguinera wurde nichts, die Pinguine seien vor einem Jahr abgezogen, schade.

Sportliche Zusammenfassung:

39 ¼ Stunden unterwegs mit bewältigten 4200 m Auf-/Abstieg

Persönlich hatte ich das Glück mit Superkameraden und genialem Bergführer, mit dem ich jederzeit wieder in ein Abenteuer steigen würde, dass ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung ging. Ein grosses DANKE.

Klaus Portmann