Cordillera Blanca - zweiter Streich

Tolles Gefühl und ein grosser Moment die 5944 Meter erreicht zu haben.

Bericht von Domi Meyer, 11.05.2018

Wir sitzen bei einem feinen Nachtessen "Chez Patrick" und schlürfen genüsslich ein lokales Alpamayo Bier. Anstrengende Tage liegen hinter uns. Aber der Reihe nach.

Vor rund 10 Tagen starteten wir das Trekking mit dem Ziel uns Schritt für Schritt unserem Objekt der Begierde, nämlich dem Alpamayo zu nähern. Der Bus brachte uns in einer vierstündigen Fahrt nach Hualcayan. In 4 Tagesetappen, über verschiedene Pässe, vorbei an Seen und schliesslich durch das Valle Alpamayo erreichten wir das Camp am Lago Jancarurish. Hier verliessen uns die Arrieros mit ihren Maultieren. Für sie gab es kein weiter mehr. Der Weg wurde nun sehr steil und ausgesetzt. Somit hiess es nun das Gepäck selbst zu buckeln und nur das nötigste für die weiteren Tage mitzunehmen. Schon etwas müder als sonst erreichten wir das eindrückliche und schon ganz nah am Alpamayo gelegene Campo Morena. Dieser wollte seine Pracht aber noch nicht offenbaren. Die vergangenen Tage ware eher verhangen und die Berge um uns waren nur schemenhaft wahrzunehmen gewesen. Der eingeholte Wetterbericht von Meteotest liess uns aber auf gute Verhältnisse für unseren avisierten Gipfeltag hoffen. Es sollte nun Tag für Tag besser werden.

Der weitere Routenverlauf an den Wandfuss war stellenweise durch imposante Seracs und steille Hänge mit Neuschnee bedroht. Wir brachen mitten in der Nacht auf um diese heiklen Zonen noch in der Kälte der Nacht zu passieren. Alles ging gut und um die Mittagszeit erreichten wir unser Highcamp auf 5400 Metern. Wir waren nun einen gefühlten Steinwurf vom Wandfuss entfernt und doch mussten wir uns noch bis am Folgetag gedulden, um die ganze Pracht des Alpamayo zu sehen. War doch der Gipfel stets von einigen Wolken verhüllt, die der Wind vom Osten her hinüberdrückte. Umso grösser das Staunen als die Sicht endlich klar war. Wir studierten und bewunderten den Routenverlauf durch die 400 Meter hohe Wand. Steil schien es zu sein. Der sowieso schon erhöhte Pulsschlag auf 5400 Metern schnellte bei diesem Anblick schon fast in sphärische Höhen.

Was für uns am nächsten Tag als Ruhetag geplant war, sollte für unsere lokalen Guides Wilder und Ronald ein harter Tag werden. Schon um 3 in der Früh waren sie aufgebrochen, um die für die sichere Besteigung notwendigen Fixseile zu installieren. Es wurde eine lange und anstrengende Aufgabe. Wilder berichtete nach seiner Rückkehr ins Camp von schwierigen Verhältnissen, mit viel Blankeis. Uff - die Nervosität stieg bei allen spürbar. Alle Gruppenmitglieder und ich hatten Teil des Tages damit verbracht, den Weiterweg über den Pass in die Quebrada Santa Cruz zu erkunden. Normalerweise eine leichte Sache. Aber just in diesem Jahr hatte sich der Gletscher stark verändert. Kurz unterhalb vom Pass versperrte nun eine riesige Spalte den Weiterweg. Ich machte mich auf das Schlimmste, in der Form eines mühsamen und steilen Umweges gefasst. So schnell wollten wir uns aber nicht geschlagen geben und unternahmen eine abenteuerliche Erkundung entlang dieses Hindernisses. Und siehe da, es gab genau eine Stelle, wo die furchteinflössende Spalte mit einem beherzten Hupfer zu überwinden war. Ich konnte aufatmen, der Weg war gefunden. Am Pass angekommen bot sich uns ein sensationeller Blick auf den Alpamayo und die vielen umliegenden Berge. Auch der Artesonraju war nun zu sehen. Artesonwas? Ja, der Artesonraju ist wohl einer der bekanntesten Berge überhaupt. Wer je einen Film von Paramount Pictures gesehen hat, kennt ihn. Der äusserst fotogene und formschöne Berg auf dem Logo ist, man kann es nun erahnen, der Artesonraju.

Um 3 Uhr in der Nacht, im Schein der Stirnlampen, stapften wir gespannt zum Einstieg der Ferrariroute. Am Beginn der Fixseile galt es nun Ernst. Die Steigklemmen wurden am Gurt fixiert und die Pickel zur Hand genommen. In der Kühle der Nacht und unter einem klaren Sternenhimmel kamen wir Schein des Mondes zügig voran. Etwas zu zügig sogar. Ich begann zu fürchten, zu früh auf dem Gipfel, noch vor Tagesanbruch anzukommen. Nun könnte man denken das wäre doch toll und wünschenswert, den Sonnenaufgang auf dem Alpamayo abzuwarten. Nicht so auf fast 6000 Metern und einem zügigen Wind. Da würde es ganz schnell ganz kalt und ungemütlich werden. Somit ermahnte ich alle das Tempo zu drosseln, um die Ankunft auf dem Gipfelgrat etwas herauszuzögern. Etwas gemächlicher stiegen wir fortan hoch. Obwohl alleine in der Route prasselte auf die Nachkommenden unserer Gruppe immer wieder etwas Schnee und zunehmend auch Eis. Ein gelegentliches „Huerresiech“ war in der sonst so stillen Nacht zu hören. 3 bis 4 Meter unterhalb des Gipfels präsentierte sich dann eine unschöne Überraschung. Überhängende Wechten und kohäsionsloser Sugarsnow verunmöglichten die letzten Meter zum Top of Alpamayo. Wir wollten nicht aufgeben, begannen zu wühlen und „motoren“. Aber umsonst. Zu gefährlich, auch für die Wartenden weiter unten. Es drohte jederzeit ein grösseres Stück der Wechte abzubrechen und auf sie herabzufallen. Trotzdem war es ein tolles Gefühl und ein grosser Moment die 5944 Meter erreicht zu haben.

Die Abseilerei nahm einige Zeit in Anspruch und die Kälte kroch uns unter die Knochen. So waren wir froh im Camp, wo die Sonne bereits ihre Wirkung entfaltete, heissen Tee und einen frühen Lunch einzunehmen. Bald war alles für den Abstieg gepackt und wir stapften los in Richtung Pass. Die Müdigkeit begann sich bemerkbar zu machen und der lange Abstieg über den Gletscher und das anschliessende Moränenfeld forderte noch einmal alles von uns. Kurz vor dem eindunkeln erreichten wir endlich das Camp in der Nähe vom Lago Arhueycocha. Ein langer Tag neigte sich zu Ende und wir mussten aufpassen beim Nachtessen nicht von den Hockern zu kippen.

Der nächste Tag begann erneut früh. Ein 25 km langer aber wunderschöner Fussmarsch durch die Quebrada Santa Cruz nach Cashapampa, brachte uns zurück in die Zivilisation. Das pulsierende Huaraz erwartete uns mit offenen Armen und all seinen Annehmlichkeiten. Was für ein Kontrast zu den vergangenen Tagen, wo wir über weite Strecken ausser ein paar Kondoren und wilden Pferden kaum jemandem begegneten.

Nach einem Ruhetag in Huaraz werden wir uns zur Krönung an den höchsten Peruaner, den 6768 Meter hohen Huascaran Sur wagen.

Herzliche Grüsse aus Huaraz

Domi, Simon, Daniela, Ruedi & Lukasz

Die Routen der Alpamayo-Huascaran-Expedition können hier verfolgt werden: [https://share.garmin.com/koblerpartner](https://share.garmin.com/koblerpartner)