EXPEDITION EVEREST 2024

Wir blicken zurück auf eine erfolgreiche Expedition zum höchsten Punkt der Erde. Das Team, angeführt von dem erfahrenen Bergführer Andreas Neuschmid, hat den Gipfel des Mount Everest sicher erreicht.

Zum Abschluss dieser aussergewöhnlichen Reise präsentieren wir ein offenes Interview mit Andreas, in dem er tiefgehende Einblicke in die Herausforderungen und Erfolge der Expedition gibt. Erfahre aus erster Hand, wie es ist, auf dem Dach der Welt zu stehen und was es braucht, um dorthin zu gelangen.


Am höchsten Gipfel der Welt:

Ein offenes und inspirierendes Interview mit Andreas Neuschmid über die Herausforderungen und Triumphe der Everest-Besteigung

Im Mai 2024 erreichte eine Gruppe von Bergsteigern unter der Leitung des erfahrenen Bergführers Andreas Neuschmid erfolgreich den Gipfel des Mount Everest. Ursprünglich für die Nordroute geplant, musste die Expedition aufgrund verspäteter Genehmigungen kurzfristig auf die Südroute umgestellt werden. Das K&P-Everest Team stand am 23. Mai 2024 um 07:00 Uhr Ortszeit auf dem Gipfel.

Im folgenden Interview gibt Andreas Neuschmid Einblick in die akribische Vorbereitung, die technischen Herausforderungen, seine persönlichen Motivationen und den Einsatz moderner Technologien während der Expedition. Er reflektiert über die Dynamik zwischen den Teams, die physischen und mentalen Herausforderungen sowie die spirituellen Aspekte des Everest. Abschliessend spricht er über die ökologischen Auswirkungen solcher Expeditionen und bietet tiefgreifende Einblicke in die Welt des Höhenbergsteigens.

Anmerkung: Einige der nachfolgenden Fragen wurden zu Beginn der Expedition gestellt, als noch von einer Begehung über die Nordseite ausgegangen wurde. Die Fragen sind thematisch gegliedert, wobei das Thema jeder Frage vor dem Doppelpunkt angegeben ist.

Vorbereitung und Planung: 

Wie bereitest du dich und dein Team auf eine Besteigung über die Nordseite des Everest vor? Gibt es Unterschiede in der Vorbereitung im Vergleich zur Südroute?

Die Logistik für die Nordseite und die Südseite unterscheiden sich. Während Gäste und Bergführer nach Lhasa fliegen und in der ersten Woche eine touristische Sightseeingtour in Tibet in grosser Höhe zwischen 3600 und 5200 Metern absolvieren, fahren unsere Sherpas mit Lastwagen mit der ganzen Ausrüstung ins Basislager hinauf und errichten auf 5200 Metern eine Zeltstadt. Auf der Südseite wird die Ausrüstung per Helikopter ins Basislager geflogen, die Mannschaft akklimatisiert sich an einem 6000er im Khumbu und kommt nach etwa einer Woche im Basislager an.

Technische Herausforderungen: 

Welche spezifischen technischen Herausforderungen stellt die Nordroute im Vergleich zu anderen Routen dar?

Die technischen Herausforderungen auf der Nordseite sind anders als auf der Südseite. Auf der Südseite musst du am Beginn den Khumbu Icefall durchqueren, ein gefährliches und technisch anspruchsvolles Eis-Labyrinth zwischen Basislager und Camp 1. Danach geht es auf einem flachen Gletscher durch das Western Cwm einfach zum Camp 2 hinauf. Dahinter wartet die Lhotse-Flanke, die ab Camp 3 deutlich steiler wird. Die Gipfeletappe ab Camp 4 beginnt mit einer etwa 40 Grad steilen Eisflanke hinauf zum Balcony, von da an wartet dann technisch weniger anspruchsvolles Gratgelände mit ein paar steileren Aufschwüngen bis zum Gipfel.

Auf der Nordseite beginnt die Besteigung ab Basislager mit einem zweitägigen Trekking ins Advanced Base Camp auf 6400 Metern. Zum Nordsattel hinauf führt eine steile Eisflanke. Auf 7000 Metern errichten wir hier Camp 1. Von hier führt ein nicht allzu steiler Schneerücken bis 7500, ab hier steigen wir über einfaches Felsgelände zum Camp 2 auf 7700 Meter bzw. Camp 3 auf 8300 Meter. Technisch anspruchsvoll wird es auf der Gipfeletappe am Nordgrat: Der ausgesetzte Felsgrat wird von den drei Steps unterbrochen, wobei der schwierigste, der Second Step, mit Hilfe einer wackligen Aluminiumleiter auf 8600 Metern überwunden wird. Oberhalb vom Third Step führt einfaches Gelände, abwechselnd in Schnee und Fels, zum Gipfel.

Persönliche Motivation: 

Was motiviert dich persönlich, immer wieder solche extremen Expeditionen zu leiten?

Ich verdiene als Bergführer meinen Lebensunterhalt. Reisen und Bergsteigen waren mein ganzes Leben lang wichtige Bestandteile meiner Existenz. Insofern ist das weltweite Bergführen an den grossen Bergen dieser Welt eine ideale Kombination. Das Führen von Expeditionen an den Achttausendern ist die Champions League der Bergführerei, für mich stellte sich daher die Frage nach der Motivation nie.

Technologischer Einsatz: 

Welche Rolle spielt moderne Technologie in eurer aktuellen Expedition?

Wir versuchen, den Technologieeinsatz gering zu halten. Essentiell sind der Strom aus Solaranlagen, eine Gasheizung für das Speisezelt, ein Satellitentelefon und Internet vom lokalen Anbieter. Besonders wichtig ist mir der tägliche Wetterbericht von Meteotest Bern. Im Vordergrund steht das Bergsteigen; eine Expedition bei K&P ist kein Wellnessurlaub. Die Idee, eine vollautomatische Kaffeemaschine für ein paar Wochen mit dem Helikopter auf die Moräne zu fliegen, lehne ich ab. Wir verwenden eine Bialetti und sind damit zufrieden.

Interaktion mit anderen Teams: 

Wie interagierst du mit anderen Expeditionsteams am Berg? Gibt es ein Gemeinschaftsgefühl oder eher Konkurrenz?

Die Gemeinschaft der Bergführer an den Achttausendern ist überschaubar. Wir treffen uns jährlich in den Basislagern im Himalaya und Karakorum. Über die Jahre haben sich mit manchen Kollegen Freundschaften entwickelt, wobei dann auch die Zusammenarbeit am Berg gesucht wird, etwa beim Verlegen der Fixseile. Konkurrenzdenken gegenüber anderen Bergführern ist mir fremd, ich freue mich über ihre Erfolge. Wir Bergführer wissen, wie schwierig und gefährlich unser Job ist, daher respektieren wir uns gegenseitig.

Persönlichste Erfahrung: 

Was war dein persönlichster oder emotionalster Moment bei bisherigen Everest-Besteigungen?

Ich bin Bergführer an den Achttausendern; für Emotionen gibt es keinen Raum. Wenn die Gäste am Gipfel des Everest vor Freude ausflippen, muss ich äusserst besonnen bleiben: Wie entwickelt sich das Wetter? Reicht der Sauerstoff? Wie ist die Konstitution der Teilnehmer? Denn der schwierigste Teil, nämlich der Abstieg, steht uns bevor.

Einfluss von Höhenkrankheit: 

Wie gehst du persönlich mit den physischen Herausforderungen der Höhenkrankheit um? Gibt es ungewöhnliche Methoden oder Praktiken, die du gefunden hast, um damit umzugehen?

Ich beobachte, dass sich Bergsteiger für die Akklimatisation immer weniger Zeit nehmen. Ich bevorzuge eine ausgedehnte Akklimatisationsphase von etwa 17 Tagen. Mit ein paar Übernachtungen in den Hochlagern und einem Ausflug bis auf 7000 Meter an allen Achttausendern. Am Everest übernachten wir einmal auf dem North Col auf 7000 Meter. Das ist anstrengend, gibt mir aber die Sicherheit, dass mein Körper und der der Gäste funktionieren. Es macht auch einen Unterschied, ob wir Sauerstoff aus der Flasche verwenden oder nicht. Auf den Achttausendern ohne zusätzlichen Sauerstoff habe ich immer mindestens einmal in 7000 Meter Höhe übernachtet. Wenn das gut funktioniert, bin ich beim Gipfelsturm weniger nervös.

Mythische und spirituelle Aspekte: 

Der Everest hat eine grosse spirituelle Bedeutung. Spürst du oder dein Team diese spirituelle Präsenz, und wie beeinflusst sie eure Expedition?

Ich spüre diese spirituelle Präsenz kaum, da ich voll auf meine Arbeit konzentriert bin. Die religiösen Momente unserer Sherpas im Basislager und am Berg respektiere ich und nehme geduldig an der Puja zu Beginn der Expedition teil, meine Weltanschauung bleibt jedoch vollkommen areligiös: Wind, Wetter, Niederschlag, Schneeverhältnisse, Steinschlag, Gletscherspalten dominieren meine Aufmerksamkeit.

Bedeutung von Träumen: 

Erzähle von einem Traum, den du oder ein Teammitglied während der Expedition hattet, der besonders symbolisch oder prägend war.

Wir Guides an den Achttausendern sind Meister der Verdrängung. Sobald das nicht mehr funktioniert, würdest du keinen Schritt in den Khumbu Icefall setzen und sofort nach Hause fahren. Träume, Ängste, Emotionen – all das müssen wir während einer Expedition beiseitelegen.

Einfluss der Besteigung auf das persönliche Leben: 

Wie hat das Bestreben, den Everest zu besteigen, dein persönliches Leben und deine Weltanschauung verändert?

Ich wollte unbedingt auf die ganz hohen Berge steigen, und die Bergführerei war mein Weg, dieses Ziel zu erreichen. Inzwischen stand ich 15-mal mit Gästen auf dem Gipfel eines dieser Giganten im Himalaya oder Karakorum, davon viermal am Everest. Insofern habe ich meine Ziele als Bergsteiger und Bergführer erreicht und bin recht zufrieden.

Nachhaltige Praktiken: 

Was ist das Unerwartetste, das du über nachhaltige Praktiken bei solchen Expeditionen gelernt hast?

Seien wir ehrlich! Der ökologische Fussabdruck der Höhenbergsteiger ist eine reine Katastrophe. Sie fliegen von weit her ans Ende der Welt und dann möglichst hoch zum Berg hinauf, am besten noch mit dem Hubschrauber. Wenn sie dann mit ein paar Solarpaneelen den Strom für ihre Heizsocken und ihre Handys erzeugen und von Nachhaltigkeit sprechen, dann ist das schon ziemlich lächerlich.

Wir möchten uns herzlich bei Andreas Neuschmid bedanken, der sich trotz der Herausforderungen und des anspruchsvollen Zeitplans während der Expedition die Zeit genommen hat, dieses Interview zu führen.

Seine Einblicke und Erfahrungen sind eine wertvolle Bereicherung für alle, die sich für das Bergsteigen und die Welt der Achttausender interessieren. Danke, Andreas, für deine Offenheit und die inspirierenden Geschichten aus den Höhen des Mount Everest.


Unsere bisherige Berichterstattung während der Expedition zum Nachlesen:

Bereit für den Gipfel, flexibel bei der Route

Die K&P Mount Everest Expedition 2024 ist gestartet! Unter der erfahrenen Leitung von Andreas Neuschmid, einem renommierten Bergführer von K&P, weicht das Team aufgrund verzögerter Genehmigungen aus Tibet nun auf die Südroute aus.

Das erste Mal seit 2019 war für dieses Frühjahr die Begehung via Nordseite geplant. Da die Permits für Tibet bislang noch nicht ausgestellt wurden, haben wir uns im Vorfeld dazu entschieden, nach Kathmandu zu fliegen und uns alternativ im Khumbu zu akklimatisieren.  

Nachdem unsere Gruppe gut in Nepal angekommen ist, geniessen wir das lebendige Zentrum der nepalesischen Hauptstadt, bevor uns der Inlandflug über das Solukhumbu nach Lukla bringt.  

Update vom 25. April 2024:
Erfolgreiche Gipfelbesteigung am Mera Peak als Vorbereitung auf die Südroute

Das Expeditions-Team war in Khare auf 4870m, wo sie die Wartezeit nutzen, um sich am Mera Peak zu akklimatisieren. Um unser Körper auf die grosse Höhe vorzubereiten, machte sich die Gruppe auf den Weg zum 6470m hohen Mera Peak. Der Mera Peak Summit wurde am 23.April erreicht.

Das K&P-Everest Team hat entschieden, den Berg von der Südseite anzugehen, da die Nordseite erst ab dem 08. Mai geöffnet wird und das Zeitfenster für eine erfolgreiche Besteigung zu klein ist.

Update vom 3. Mai 2024:
Zwischen Wartezeit und Wetterkapriolen: Unser Abenteuer vom Mera Peak bis zur Ama Dablam

Lange war unklar, ob und vor allem ab wann wir mit einem Permit für Tibet rechnen könnten. Um die Wartezeit sinnvoll zu nutzen, hat unser Team am 6470 m hohen Mera Peak akklimatisiert – und das mit Erfolg! Zurück vom Berg wurden sie mit einem leckeren Kuchen überrascht, um diesen ersten Gipfelerfolg zu feiern. Doch kurz darauf erhielten wir Gewissheit: Eine Einreise nach Tibet ist erst ab dem 08.05. möglich! Da Ende Mai der Monsun einsetzt, ist die Zeit zu knapp, um die Expedition auf der Nordseite seriös durchzuführen. Deshalb hat unser Bergführer Andreas die Notbremse gezogen und sich nun definitiv für die Südseite entschieden.

Um den Akklimatisationsprozess aufrechtzuerhalten, ist das nächste Ziel die Besteigung der 6856 m hohen Ama Dablam, auch bekannt als das Matterhorn Nepals. Es herrschte bestes Wetter, jedoch mit wahnsinnig starkem Wind. Aufgrund dessen musste unsere Gruppe an einem kleinen Felsen unterhalb des Gipfels umkehren. Nun sind wir gespannt auf die nächsten Neuigkeiten!

Update vom 8. Mai 2024:
Nach der Akklimatisationstour auf die Ama Dablam ist unser Team im Everest Basecamp auf 5300m.ü.M. angekommen.

Unsere Gruppe ist stark, motiviert und allen geht’s gut. Nun ist gutes Akklimatisieren und viel Geduld wichtig. Der Fokus liegt darauf, den Körper laufend an eine neue Höhe zu gewöhnen und ein gutes Wetterfenster für den Gipfel zu finden. Hierfür wurde bereits ein erster Ausflug in den Khumbu Eisbruch unternommen (Bild 1).
Im komfortablen K&P Basecamp mit sehr gutem Essen kommt auch die zwischenzeitliche Erholung, welche ausschlaggeben für eine erfolgreiche Gipfelbesteigung ist, nicht zu kurz (Bild 2).
Und wer kennt ihn nicht; Kari Kobler weilt derzeit ebenfalls in Nepal und hat dem Team und Expeditionsleiter Andreas einen Besuch abgestattet (Bild 3).

Update vom 22. Mai 2024:
Action on!

Das Team akklimatisierte weiter mit touching des Camp 3 auf 7300m. Gewaltige Bilder des Khumbu-Eisbruch erreichen uns und lassen nur erahnen, wie atemberaubend die Landschaft rund ums Basecamp und aufwärts Richtung Gipfel ist. Nach einer Woche Erholung im Basecamp gibt’s noch eine Oxygen Instruction für die Teilnehmer durch die Sherpas und los geht der Summitpush!

Update vom 23. Mai 2024:
Erfolg für das gesamte K&P Team am Everest!

Andreas, Christian, Simon und 2 Nepali Sherpa Lal Bahadur Tamang und Phurba Gyalzen Sherpa haben heute Morgen 23.05.24 um 07:00 Uhr (Ortszeit) den Gipfel des Mount Everest erreicht! 

Wir gratulieren dem ganzen Team herzlich für diese starke Leistung. Zurzeit sind alle gesund im South Col, Camp 4 und erholen sich. Nächstes Update folgt sobald alle zurück im Basecamp sind.

Wir sind sprachlos! Nochmals eine grosse Gratulation an das Everest Team 2024, welches gestern um 07:40 Uhr (Ortszeit) auf dem Gipfel standen. Die Gipfelfotos haben uns soeben erreicht und lassen daraus schliessen, dass die Gruppe nun ausgiebig feiert und die Erholung wohlverdient wartet. 

Zusätzlich dürfen wir Simon und Phurba zu einem weiteren Gipfel gratulieren! Beiden standen exakt 22h später auf dem benachbarten Gipfel des Lhotse 8516m. Nun sind wir gespannt auf die Erzählungen!