Urner Haute Route

Wettertechnisch alles bietende Tourenwoche

Bericht von Remo, 15.04.2024

Bericht: Remo

Fotos: Beat, Michel, Sandro, Geraldine, Remo und Ruedi

Start am 9. April – Anreise und Aufstieg zur Albert Heim Hütte

Unsere Urner Haute Route begann mit der Ankunft in Realp am frühen Nachmittag. Während der ereignisreichen Zugfahrt von Bern nach Realp sinnierten wir zusammen, ob im Angebot des SAC-Seeland evtl. auch Kurse «Wie löse ich korrekt ein Billett in der SBB-App» und «Umsteigen in SBB-Bahnhöfen» Anklang finden würden.

Unter der Leitung des erfahrenen Bergführers Mano (Ruedi Kellerhals), starteten wir, Beat, Géraldine, Michel, Sandro und ich unseren Aufstieg zur Albert Heim Hütte. Der Aufstieg war bis auf ca. 1900 m. ü. M. durchsetzt mit Regen, danach ging der Regen in Schneefall über. Ich bereute, das Angebot am Tag zuvor von Michel, meine Felle zu imprägnieren, nicht angenommen zu haben. Bei einigen von uns bildeten sich wegen des nassen Wetters Stollen unter den Fellen, was den Aufstieg zu einem zusätzlichen Kraftakt machte. Nach einem steilen Schlussanstieg gelangten wir in die Hütte. Die Trocknungsmöglichkeiten waren zwar bescheiden, doch das tat unserem Genuss eines gemütlichen Beisammenseins bei einer guten Flasche Wein und einem köstlichen Plättli keinen Abbruch.

2. Tag: Wetterkapriolen und Routenänderung

Wider Erwarten fiel in der Nacht mehr Schnee als gedacht und die Lawinensituation änderte sich schlagartig. Der Aufstieg zum Lochberg und die geplante tolle Abfahrt fielen ins Wasser, respektive in den Schnee. Diese Umstände zwangen uns zu einer Planänderung: eine Zuerst ein kurzer Aufstieg zum Schafberg und dann Abfahrt zurück nach Realp. Mit dem Zug fuhren wir weiter und liessen uns von Geissenpeter, der eigentlich Christian heisst und ein echtes Original ist, zur Staumauer des Göschenenalpsees transportieren. Michel überzeugte Geissenpeter während der Fahrt, einen Kaffeehalt mit obligatorischem Nussgipfel einzulegen. Nach einem Anruf in seinem besten «Geissenpeter-Englisch» versicherte er den Dänen, dass er sie in spätestens «forty minutes – you wait!» erreichen würde. Der anschliessende Aufstieg zur Chelenalphütte war herausfordernd, insbesondere der letzte steile Teil, der uns zwang, die Skier zu tragen. Der Hüttenwart Martin empfing uns herzlich, ebenso wie die Gruppe der Tschechen, die fortan unsere Wege kreuzten.

3. Tag: Gipfelstürmer am Sustenhorn

Von der Chelenalphütte aus starteten wir rechtzeitig zu einem der Höhepunkte der Tour: dem Sustenhorn. Der steile Aufstieg am Morgen testete unsere Kondition (zumindest meine). In endlosen Spitzkehren ging es Richtung Sustenhorn. Wir waren früh auf dem Gipfel und genossen die fantastische Aussicht. Die danach folgende, traumhafte Abfahrt war wie man sich Skitouren immer wünscht: Tief verschneite, unberührte Pulverschneehänge in denen man seine Linien ziehen konnte. Die beiden Schlechtwettertage waren vergessen und wir genossen die Sonne. Zügig ging es Richtung Steingletscher. Unterwegs zeigte uns Mano an einigen Punkten auf, wo etwas mehr als vor 10 Jahren der Gletscher stand. Damals war an gewissen Punkten kein Fels zu sehen, heute kann man sich dies gar nicht mehr vorstellen. Sandros Skier konnten seinem Abfahrtstempo nicht standhalten: Kurz vor dem Steingletscher brach einer seiner Skier beinahe durch. Glücklicherweise konnte rasch Ersatz beschafft werden – ein wahres Glück für ihn! Den Nachmittag verbrachten wir bei einem geselligen Uno-Spiel und einem Zvieri-Plättli.

4. Tag Uratstock und Sustlihütte

Unser vierter Tag vom Steingletscher Richtung Sustlihütte begann früh. Wir montierten Stirnlampe und Harscheisen und gewannen rasch an Höhenmeter. Heute stand der Gipfel des Uratstock auf dem Programm. Wir kamen gut voran und gingen durchs Obertal über den Obertalgletscher Richtung Gipfel des Uratstock. Die grandiose Aussicht auf dem Gipfel bescherte uns viele Glücksmomente. Die Abfahrt danach würde ich von meiner Seite als Streichresultat und Abfahrt ins Tal der Tränen bezeichnen. Wegen des unberechenbaren Schnees (viele Schneehaufen, mal weich, mal hart) war es mühsam und technisch anspruchsvoll. Wir erreichten alle mit heilen Knochen kurz vor Mittag die Sustlihütte. Unsere

Ankunft feierten wir ausgiebig mit deftigen Käseschnitten, einer angemessenen Menge Weisswein und etwas Tee.

5. Tag Stössenstock und Heimreise

Am letzten Tag unserer Tour starteten wir wiederum früh. Wir stiegen von der Sustlihütte Richtung Stössenstock auf. Es waren zwar heute nur wenige Höhenmeter bis zum Gipfel des Stössenstock zu bewältigen (rund 740 Höhenmeter), aber die letzten Meter durch ein Couloir hinauf in den Sattel hatten es zumindest für mich in sich. Es war zwar «einfacher» die Skis zu tragen, um den Sattel zu erreichen, mit Skischuhen einen Lawinenkegel hinauf zu stapfen, war aber ziemlich Kräftezehrend. Von dort ging es dann in einer relativ einfachen Kletterei, die trotzdem volle Konzentration erforderte, zum Gipfel des Stössenstock. Wir genossen kurz die Aussicht und machten uns rasch zum Abstieg, damit die Schneeverhältnisse bei der letzten Abfahrt zur Gitzichrummenflue noch passabel waren. Diese letzte grandiose Abfahrt unter guten Bedingungen entschädigte uns mit derjenigen tags zuvor, und krönte unsere Tour. Pünktlich wartete das Taxi unten und brachte uns zum Bahnhof Erstfeld. Vorher verabschiedeten wir uns noch von einigen Teilnehmern der tschechischen Gruppe, mit der wir ab der Chelenalphütte immer zusammen waren. Auf der Rückreise klappte alles wie am Schnürchen und dank Direktzug von Erstfeld nach Zürich und einmaligem Umsteigen Richtung Bern oder Biel verlief die Rückreise ohne Zwischenfälle.

Die Urner Haute Route 2024 bot trotz der Wetterkapriolen und Änderungen eine Fülle von herausfordernden und gleichzeitig enorm belohnenden Erlebnissen. Unter der kompetenten Führung unseres Bergführers Mano und mit einem starken Gemeinschaftsgefühl meisterten wir jede Hürde und genossen fünf unvergessliche Tage in den Bergen.