Trekking Ruwenzori mit Gipfeloption

Die gesamte Gruppe feiert das Trekking mit der Besteigung der Margheritaspitze

30.01.2024

Drei Aspekte machen das Rwenzori-Trekking für uns unvergesslich: Unsere äusserst liebenswürdigen ugandischen Begleiter, die völlig unberührte Natur und die manchmal unerträglich rutschigen Pfade. Wir gehen auch auf den zweiten «Safari»-Teil der Reise ein.

Wir waren eine kleine Gruppe von 4 Menschen und hatten einen Begleittross von 30 Ugander/innen. Darunter waren Träger - unter ihnen zwei Trägerinnen, die unsere besondere Aufmerksamkeit genossen, vor allem die 65-jährige Denice, deren Leistung uns sehr beeindruckte. Zwei bewaffnete Ranger waren dabei, die für unsere Sicherheit sorgten, da wir im Grenzgebiet zwischen Uganda und Kongo unterwegs waren.

Beim Eintreffen in einer dem Gate zum Park vorgelagerten Lodge stellten wir fest, dass zwischen 80 und 100 Ugander dort auf einen Job als Träger warteten. Wir fragten uns, wie die Aufträge verteilt werden. Zunächst wird das gesamte Gepäck gewogen und portioniert -entsprechend ergibt sich die Anzahl der Escorts (das verwendete Wort für Träger/Porter in Uganda).

Bei der Abfahrt zum Gate erhaschten wir einen kurzen Blick auf die Versammlung der Job-Anwärter: In einem Halbkreis standen sie um eine Hauswand, an der Listen angeschlagen waren. Wir vermuteten, dass es sich dabei um eine Art Warteliste handelt, mit denen die gerechte Verteilung der Arbeit geregelt wurde.

Gleichzeitig mit uns waren Dutzende Träger unterwegs, die Material für den Neubau der höchsten Hütte, der Elena auf 4500 m.ü.M., hochtrugen. Sie balancierten 20 - 40 Kilo schwere vier Meter lange Holzbalken und ebenso wuchtige Metallteile auf dem Kopf die steilen Bergpfade hinauf.

Drei Führer gingen uns voran, deren einer, Rauben, uns erzählte, dass auf beiden Seiten der Grenze das gleiche Volk lebe, das durch die Staatsgründung von Uganda und Kongo getrennt wurde und wieder zusammenkommen möchte - jedenfalls wird jährlich im Juni der Tag der künftigen Wiedervereinigung gefeiert. Die Führer kennen sich im Park sehr gut aus, auch auf 5000 m.ü.M. konnten wir uns absolut auf sie verlassen. Sie erläuterten uns neben den historischen Zusammenhängen des Nationalparks kenntnisreich die Fauna und Flora. Die ist absolut einzigartig, dazu aber später mehr.

Die Ugander sind auffällig feine Menschen. Ihre Umgangsformen sind zurückhaltend und von Bescheidenheit bestimmt, uns Schweizern nicht unähnlich. Unter einander sind sie sehr gesellig, in Pausen plauderten und lachten sie meistens fröhlich, obwohl ihr Job in dem teilweise schwierigen Gelände und mit den 15 - 20 Kilo Gepäck auf dem Rücken extrem anstrengend war. Auch unsere Führer hatte als Träger begonnen und bildeten sich über viele Jahren weiter. Uganda hat dafür, dem Vorbild Kenias folgend, eine nationale Ausbildungsstätte geschaffen. Zu mehr als 5 Aufträgen pro Jahr als Guide kommt es jedoch nicht. Die Führer sind nebenher Bauern. Sie verdienen jedoch zu wenig, um sich beispielsweise eine Kuh leisten zu können. Die Armut auf dem Land war dann auch der besorgniserregendste Aspekt unserer Reise. Man möchte helfen und tut was man kann, obwohl man spürte, dass alle Hilfe nur ein Tropfen auf den heissen Stein ist.

Ebenfalls zum Begleittross gehörten unsere beiden Köche Elisha und Karim. Uli, unser K&P Bergführer, brachte ihnen schwarze Kochjacken mit, die sie fortan stolz trugen, und ihrem Status, den sie für uns hatten, vollkommen entsprachen: Trekking-Spitzenköche bar jeder Allüren.

Das soziale Ereignis und Highlight eines jeden Tages war das Briefing: Nach dem Abendessen erschienen die drei Führer unter der Leitung von Ezra und in Begleitung der beiden Köche in einer geradezu feierlich anmutenden Zeremonie bei uns, und erläuterten uns den nächsten Tag. Zuerst kamen die Führer dran: Ezra meinte wiederholt, wir befänden uns hier nicht auf dem Nachhauseweg sondern in einem anspruchsvollen Gebirge und sollen uns bitte konzentrieren, damit kein Unfall passiere. Er trug die Warnung mit so leiser und vor Intensität vibrierender Stimme vor, dass wir gar keine andere Wahl hatten, als ihn sehr ernst zu nehmen. Danach erst wurden Zeitpunkt und Menü von Morgenessen und Lunchpaket besprochen. Auch später machten wir die Erfahrung, dass die Ugander es genossen und darauf bestanden, vor ihren Gästen aufzutreten, sie in feierlicher Manier zu begrüssen und über die Regeln und das Happening der nächsten Minuten und Stunden zu informieren. In jeder Lodge verlief der Empfang auf diese Weise. Wir fanden das - ja: irgendwie berührend.

Man durchläuft im Verlauf des Trekkings sieben Vegetationsstufen - vom feuchtwarmen undurchdringlichen Dschungel bis hin zum kalten Hochgebirge mit Fels und Eis. Dazwischen Bambuswälder, höher dann Senezien und Lobelien. Man meint immer, die Schönheiten des Gebiets erfasst zu haben, doch dann bringt jeder Tag wieder eine neue Sensation, einen Ausblick, ein neues Ensemble an Felsen, Moos, Everlasting Flowers und Senezien – zum Niederknien schön. Berge, Täler, Wälder wie seit Jahrhunderten in sich ruhend, ungestört von Zivilisation, man sieht ihnen an, hier findet man noch primäre Urwälder. Flechten hängen wie Bärte von den Ästen, immergrüne Polster überziehen Stämme und Wurzeln. Gelbe und rote Moose liegen wie Teppiche auf den Felsen. Darauf stehen halbwüchsige palmenartige Bäume mit grellgrünen Wedelbüscheln. Dahinter schwingt sich glatter feucht glänzender, anthrazitfarbener Fels in die Höhe. Liebliche Täler mit still vor sich hindämmernder Natur und dunklen kleinen Seen ziehen sich zwischen steilaufragenden Bergzügen dahin.

Unsere Pfade führten über Felsabbrüche, die so rutschig waren, dass man nur auf dem Hosenboden hinuntergleiten konnte. Auch unsere Träger bewältigen die schwierigen Passagen auf diese Weise. Sie trugen übrigens, wie wir auch, den grössten Teil des Trekkings Gummistiefel, die deutlich rutschfester waren als Bergschuhe. Dann kämpften wir uns wieder durch dichtes Gebüsch. Die Wege würden binnen dreier Monate zuwachsen, wenn sie nicht durch eigens dafür eingesetzte Trupps unterhalten würden. Wie man über glitschige Steine balanciert, über rutschige Erde gleitet und über glatte Wurzeln steigt, in sumpfige Löcher fällt, im Morast nach Gründen sucht, wo die Stiefel bis zur Wade einsinken, wie man festen Boden findet von Grasbüschel zu Grasbüschel hüpfend, vorsichtig auf Teppiche kleinster Sumpf-Pflänzchen tritt, die einen tatsächlich weich nachgebend tragen, muss man erlebt haben – selten wird simples Gehen dermassen zur Herausforderung – es wird zum Abenteuer. Beweglichkeit und Gleichgewichtssinn waren gefragt, um den richtigen Tritt zu finden. Wir passierten überhängende Felsen, worunter es staubtrocken war: Rockshelters. Die Erstbesteiger des Gebirges, darunter der italienische Luigi Amedeo di Savoia-Aosta «Duke of Abbruzzi», fanden hier Schutz und Übernachtungsstätten.

Ezra mahnte mehrfach, zum Herumschauen stehen zu bleiben und beim Gehen auf den Boden zu achten. Uli forderte uns immer wieder auf, vor lauter Konzentration diesen mystischen Wald um uns herum nicht zu vergessen, der hin und wieder den Blick freigab auf die vollkommen unberührte Landschaft, die dermassen afrikanisch anmutet, weitläufig, hoch aufragend, von Dschungel überwucherte Schultern und Rücken. Eine unglaubliche Vielfalt an Pflanzen – Thuri, unser Botaniker, wusste allen den Namen zu geben, auf Deutsch und Latein!

Selten begegneten wir anderen Touristen. In den Hütten gibt es auch nicht viel Platz. In der höchsten von ihnen, der Elena-Hütte, belegten wir eine Hütte, eine Gruppe dreier Spanier die andere. Für mehr Menschen hätte es keine Unterkunft geben.

Pünktlich etwas nach Mittag zogen Wolken auf und es begann zu regnen. Meistens nur kurz. Doch danach blieben die Wolken hängen und tauchten die Landschaft in eine feuchtgrau, geradezu depressiv anmutende Stimmung. Wir kamen oft um diese Zeit in der Hütte an, und ich zog es vor, mich in den warmen Schlafsack zu verkriechen.

Von unserer Gruppe schafften es alle auf dem Margherita-Peak. Die ersten erreichten den Gipfel just zum Sonnenaufgang, eine atemberaubende Atmosphäre löste die Nacht des Aufstiegs ab, von der Sonne gerötete Nebelchen waberten um die umliegenden Gipfel und gaben bald den Blick frei auf die umliegenden ugandischen und kongolesischen mit Urwald überzogen Hügel und Täler.

Wir hatten keine Unfälle zu beklagen, keine Probleme zu bewältigen, alles lief nach Plan. Ulis Lieblingswort ist „entspannt“ und so verlief auch das ganze Trekking – entspannt eben. Uli leitete das Trekking zum fünften Mal, was auch auffiel: Die meisten Ugander/innen kannten und mochten ihn. Er ist ein erfahrener Afrika-Reisender, brachte allen etwas mit, was sie sichtlich freute, hielt mit der gleichen zeremoniellen Würde, wie sie es tun, die Neujahrsrede, in der er unseren Begleitern für ihren Einsatz dankte. Als Geschenk erhielten sie eine Schachtel Gummibärchen. Und da war wieder zu beobachten, wie die Verteilung von absoluter Gerechtigkeit geprägt war. Dan, der grossgewachsene Ranger mit dem schönen Lächeln, zählte nach, wie viele Haribos er erhalten hatte – offensichtlich zu wenig. Er interveniert und erhielt die fehlenden von Charles, dem Head-Porter, ausgehändigt. Wir lernten: Rangfolgen werden beachtet, Gerechtigkeit ist Maxime.

Wir freuten uns dann aber schon auch auf die luxuriöse Mweya-Lodge im Queen Elizabeth National Park, wo wir in einem breiten Bett schlafen, gediegen duschen und unsere Sachen reinigen und sortieren konnten. Zunächst ohne, dass wir es richtig bemerkten, begann ein neuer Ugander das Zepter zu übernehmen. Denn bald verabschiedeten sich Uli und Valérie von der Gorilla-Truppe – Thuri, Mario und Felix, die das zusätzliche Gorilla-Trekking im Bwindi-Wald gebucht hatten, und Patrick übernahm neben dem Fahren auch unsere Führung. Er verfügte über ein grosses Wissen über alle Aspekte von Ugandas Natur, Gesellschaft und Politik. Während den langen Autofahrten, die nun folgten, unterhielt er uns mit Geschichten über die Anstrengungen, die ein ugandischer Mann unternehmen muss, wenn er heiraten will, erläuterte uns die komplexen gesellschaftlichen Strukturen zwischen Tradition (Familie, Clan, Stamm, Königreich) und Moderne (Parlament, Präsident, Gerichtsbarkeit) und wie die Ugander/innen sich darin bewegen (Landstreit: Tradition, Diebstahl: Moderne) und hielt, während wir uns aufs Fotografieren konzentrierten, Vorträge über Zoologie und Lebensweise von Zebras, Hyänen, Elefanten, Baumlöwen und Giraffen. Letztere schleuderten einander ihre gehörnten Köpfe um die Hälse – wir vermuteten Balzgehabe, Patrick korrigierte, die beide Weibchen seien in einen ernsthaften Kampf verwickelt.

Der Bwindi-Wald und die Gorilla-Familie, die wir dort besuchten, waren erneut ein einzigartiges Ereignis. Die Primaten sind die Menschen gewohnt, man sitzt ihnen in ihrem Wohnzimmer gegenüber und beobachtet sich gegenseitigen – sie uns, wir sie. Die Familie hatte nach Tagesanbruch gerade ausgiebig gefrühstückt und setzte und legte sich zur Verdauung jetzt erst mal hin. Wir taten das auch. Sie lausten sich partnerschaftlich, wir fotografierten sie dabei - gegenseitige soziale Interaktion sozusagen. Der Anmarsch zu ihnen war in unserem Fall Dreiviertelstunden kurz.

Zuvor hatten im Visitors Center einheimische Frauen eine professionelle Performance mit Musik und Tanz geboten. Zuerst dachten wir, es handle sich um eine der üblichen für Touristen arrangierte künstliche Show. Doch der Gesang der Frauen war hochpräzise, abwechslungsreich und teilweise komplex mehrstimmig, die Tanzeinlagen trugen sie mit überwältigendem Engagement, authentischen Figuren und überbordender Freude vor. Kriegten wir da inmitten grenzenloser Natur völlig unerwartet eine geballte Ladung ugandischer Kultur gezeigt? Jedenfalls berührte die Vorstellung der Frauen unsere Herzen.

Zum Schluss überzeugte uns Patrick nochmals mit einem Sondereffort. Unsere Idee, anstatt stundenlang im Lake Victoria Hotel auf unseren Flug nach Hause zu warten, die Zeit für einen Spaziergang im quirligen Kampala zu nutzen, nahm er zuerst neutral zur Kenntnis. Als wir in der Hauptstadt ankamen, hatte er eine Führung durch den alten und neuen Markt und Kampalas Hauptbahnhof der Sammeltaxis organisiert gehabt, die trotz verstopften Strassen auf die Minute aufging. Durch Patrick wurde auch der zweite Teil unserer Reise zu einem äusserst gehaltvollen Erlebnis.

Trotz all der Eindrücke und intensiven Erlebnisse der vergangen 14 Tage waren wir froh und dankbar, dass unsere gesamte Gruppe gesund und mit nur marginalen, kleinen Blessuren den Weg zurück in die Schweiz gefunden hat.

Die schmatzenden Geräusche des Sumpfes, die unbändige grüne Vielfalt an Pflanzen, Moosen und Farnen (eine Welt nicht von dieser Welt), die herzlichen Menschen von Uganda und eine durchgemischte und doch harmonische Gruppe werden uns noch dankbar lang (zurück im Alltag) begleiten…