„Auf Skitour in Marokko?“
So oder so ähnlich überrascht reagieren Familie und Freunde auf mein Vorhaben…
„Ja doch, warum auch nicht?“ Entgegne ich selbstbewusst und frag mich insgeheim, ob sie vielleicht sogar recht haben…
Ach egal, kurzfristig gebucht, mit K&P ist‘s eh „safe“ und Sonntags mit Sack und Pack zum Flughafen. OK, Ski hätten vielleicht noch‘nen Service vertragen, aber zu spät…muss ich wohl durch Geschick wett machen…
Treffe direkt auf den ersten Teil der Truppe – zur Abwechslung mal nur Mädels – und die Vorfreude und Spannung ist regelrecht greifbar. Läuft alles wie geplant, wir harmonieren vom ersten Handschlag ziemlich prima miteinander. Eigentlich ist bereits jetzt klar, dass das ‘ne super Zeit werden muss!
Das Equipment wird im Mini-Bus von Abdullah und Mohammed, unseren zusätzlichen einheimischen Guides, verstaut und nach einem Supermarkt-Stop für den nötigen Hütten-Proviant geht’s auch schon los.
Über Serpentinenstraßen erreichen wir das heutige Ziel, unser Refuge im Dörfchen Imlil auf 1.740m, wo wir pünktlich zum Abendesse eintreffen. Das Wetter beschert uns einen wunderbaren Abendhimmel und nachdem wir Quartier bezogen haben, bekommen wir direkt, die für mich sensationelle, marokkanische Küche serviert: Tajine in allen möglichen Formen und Varianten, meist mit Kartoffeln oder Couscous.
Die Temperaturen sind im nett eingerichteten Haus schon ziemlich frisch und man merkt noch den erst vergangenen Winter. Sind aber natürlich klamottentechnisch gut ausgerüstet und Feuerholz für den Kamin im großen Wohnraum ist dann auch schnell besorgt.
Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, werden die kommenden 3 Tage besprochen und geplant, da das Wetter leider ab Mitte der Woche schlecht werden soll. Die Route wird geändert und bereits übermorgen soll es an den Djebel Toubkal 4.167m gehen. Lassen Dinge, die wir nicht für die ersten Touren benötigen, zurück, der Rest wird auf unsere 3 Mulis geladen und in Trekkingschuhen geht’s los.
Steigen auf, haben einen tollen Blick zurück ins Tal, Sonne lacht, uns kommen Berber mit ihren Mulis, Kinder mit Schafen und Ziegen, andere Wandergruppen sowie eine frische Brise aus Richtung Atlas entgegen. Ich freu mich riesig – es lockt einfach, immer weiter vorzudringen.
Kommen durch kleinere Dörfer, die erste Strickmütze und ein Tuch der Touareg wird ergattert. Fragwürdig jetzt an Souvenirs zu denken, aber meist ärger ich mich im Nachhinein so à la „ach hätt ich doch…“. Hier und da geniessen wir frisch gepressten Orangensaft von einem kleinen Stand am Wegesrand und im letzten Dorf gibt’s nochmal eine Kaffeepause in der herrlichen Wärme der Sonne. Ein paar hundert Höhenmeter weiter und mitten im Grün-Weissen, bekommen wir ein tolles Picknick mit frischem Salat, leckeren Oliven, Fladenbrot und steigen dann gut gestärkt auf die Ski um. Unsere Taschen werden von Portern übernommen, da für die Mulis hier Schluss ist, und in drei Tagen sehen wir sie wieder.
Die Etappe zur Refuge Toubkal auf 3.207m geht gut, der Schnee (Grenze liegt bei gut 2.800m) ist schön sulzig und fast kurzärmlig, aber gut eingecremt, lässt sich das locker machen.
Bekommen einen Schlafraum für uns allein und können die Abendsonne noch auf einer der kleinen Dach“terassen“ für uns genießen, bis es auf einen Schlag, als um 4 die Sonne hinter den Bergen verschwindet, wirklich kalt wird.
Der Kamin im großen Aufenthaltsraum wird eingeheizt, ergattern die Plätze direkt davor und spielen eine Runde mit den Pokerwürfeln, bis es heiße Suppe und eine neue Variante der Tajine gibt. Die Spannung auf morgen steigt, schließlich starten wir ja gleich mit dem Höchsten Marokkos…
Es gibt Porridge zum Frühstück und um neun starten wir nahezu gemütlich, jedoch bald mit Harscheisen, da der viele Wind die Oberfläche verpresst hat.
Die Wege und Spuren sind gut, machen immer wieder Fotostops, nehmen 300m unter dem Gipfel die Ski auf den Rucksack, der Gipfel ist ohne Steigeisen bald unser. Abklatschen an der Metall-Pyramide, welche den Gipfel schmückt, die Sonne lacht, Renate holt ihre Marille aus dem Rucksack und das Fotoshooting beginnt. Nach einer wirklich schönen Pause, gemütlich in der Sonne, bietet die Abfahrt dann alles: für Freaks ordentlichen Spass und für die Hobbyfahrer, wie mich, eine Herausforderung…ist schon ziemlich harschig und stellenweise müssen wir abschnallen, da Steine zu überwinden gelten, aber der Blick, die Luft und das Wetter machen einfach Bock auf mehr.
Weiter unten firnt es auf und man kann schön, bis fast zum Refuge, durchpflügen - den kleinen Gegenanstieg dann zu Fuss. Der Nachmittag ist frei. Nutzen die warme Dusche, dann ab auf die Dachterrasse, später wieder Spiele und ratschen am Kamin, Tajine, Feierabend-Bierchen und ab in die Falle.
So, dieser Mittwoch wird mein letzter Tourentag, leider. Hab was mit meinen Socken vermurkst und erfreue mich an Wasserblasen. Aber gut, starten heute recht früh, gegen halb 8 zum Akioud auf 4.030m, bald schon die Harscheisen installiert und für’s letzte Drittel dann die Steigeisen. Das Wetter ist noch auf unserer Seite und schließlich sitzen wir zufrieden, nach kurzen Hochnebelfeldern, dann in der Sonne auf dem Gipfel und genießen den Blick rüber zum Toubkal.
Abfahrt ziemlich hart, schorfig, stellenweise eisig, aber auch hier zum Ende hin weicher und wir setzen den perfekten Einkehrschwung an unserem Refuge.
Unser Koch hat bereits seine Spezial-Rohkostplatte nebst Pasta mit Kichererbsen und Linsen vorbereitet, was richtig gut tut und schmeckt.
Packen unsere 7 Sachen, die Porter übernehmen das Gepäck bis weiter runter zur Muli-Station und wir folgen mit den Ski dorthin. Kurzes Umladen, rein in die Wanderschuhe und ab nach „Hause“ - ins Refuge nach Imlil, das letzte Drittel jedoch leider im Regenguss, die Wettervorhersage sollte halt doch recht behalten. Angekommen organisieren wir unser Gepäck neu, derweil die Jungs draußen Feuerholz besorgen und da das tatsächlich kleine Bäume aus dem Vorgarten sind, dauert’s ein wenig bis sie Feuer fangen.
Trotzdem können wir bald an der warmen Feuerstelle die Füsse hochlegen, während das Abendessen vorbereitet wird.
Am nächsten Morgen starten wir zweigeteilt, denn Ivo & Abdullah fahren mit Andrea, Tine, Ulli & Dario wie geplant weiter ins Tachddirt Tal, um dort noch die ein oder andere Tour zu gehen.
Aufgrund von Wetter konnten sie jedoch auch nur noch eine machen, welche mit 1.600m im Aufstieg ordentlich war, anschließend aber mit einer Tiefschneeabfahrt und bei Sonne allesamt belohnte.
Das schlechte Wetter hatte tatsächlich knapp 20cm Neuschnee gebracht und allein von den Fotos her, muss das richtig schön gewesen sein!
Renate, Flo & ich weichen derweil ans Meer nach Essaouria aus.
Die beiden sind ziemlich erkältet und meine Blasen nicht unerheblich, also kurzerhand ein Taxi organisiert, ein schöner alter Merceds 240D, welcher die Serpentinen ziemlich flott zu nehmen weiss. Kurz hinter Marrakesch übergibt uns der Fahrer dann seinem Bruder, denn an dieser Stelle würde sich quasi der jeweilige Zuständigkeitsbereich überschneiden. Zunächst skeptisch, da wir den ersten Fahrer bereits komplett bezahlt hatten, satteln wir also um. Er bringt uns auf der Weiterfahrt in eine Argan-Öl-Farm (das Öl aus den Nüssen/Samen eines Baumes hier aus der Region und so rein ist wie sonst nirgends) und insgesamt 3 Stunden später haben wir ein hübsches 3-Bett-Zimmer in einem Riad, einem kleine Hotel in einem typisch marokkanischen, historischen Gebäude.
Laufen durch die anfangs ziemlich verwinkelte Medina zum Meer und – obwohl es regnet – sind wir wirklich froh, dass der Abbruch der Skitouren hier an diesem Ort so toll wett gemacht wird.
In kleinen Hafenbuden essen wir abends fangfrischen Fisch, schlendern durch die Stadt und freuen uns auf den Souk am nächsten Tag.
Freitags, nach dem guten Frühstück mit marokkanischen Pfannkuchen, ziehen wir los und streifen ohne Gedränge durch die Gassen Essaouiras. Der Souk lockt mit herrlich gefüllten Obst- und Gemüseständen, tollen Düften von den Gewürzhändlern, weniger ansprechenden Bildern von den Hühner- und Fleischverkäufern, aber ok, auch das gibt’s und ist halt einfach ursprünglicher als bei uns. Hier ist nichts geruchsneutral in Cellophan verpackt…
Der Tag vergeht bummelnd, inkl. erholsamer Stunden auf der Stadtmauer mit direktem Blick auf’s Meer und einer Kaffeepause, mit welcher wir einen Wolkenbruch überbrücken.
Anschließend waten wir durch die Straßen zurück zum Fischmarkt und lassen unseren Essaouira-Abstecher lecker ausklingen.
Am Samstag geht’s mit dem Taxi reibungslos retour, zusammen mit dem Grossstadtfeierabendverkehr schieben wir nach Marrakesch rein und treffen wieder auf unsere Gruppe, welche ebenfalls eine tolle Zeit im Tachddirt Tal hinter sich hat. Den Abend verbringen wir im hoteleigenen Dachterrassenrestaurant mit Tajine, vielen Geschichten und in ausgelassener Stimmung. Es ist wirkliche Wiedersehensfreude, so als ob wir schon lang und zusammen unterwegs wären. Passt einfach mit allen, aber es ist auch leider bereits das Ende der Reise in Sicht.
Das Frühstück genießen wir in der Sonne auf der Dachterrasse und werden dann von unserem Guide zur Stadtführung abgeholt. Passieren den großen Platz auf welchem Schlangenbeschwörer mehr oder weniger schräg um jede Dirham flöten, wandern durch die Gassen und genießen die Wärme. Besuchen eine schön gestaltete Koran-Schule, noch ein Museum, essen in den Gassen eine Kleinigkeit und bummeln über den großen Souk zurück, denn am Nachmittag steht noch der obligatorische Besuch im Hammam an und so erscheinen wir quasi rausgeputzt zum abendlichen Abschiedsmenü in einem netten Restaurant in der Stadt.
Nun, nach einem guten Heimflug und mehreren Abschieden, da die Truppe sich in alle Himmelsrichtungen nach und nach auflöste, kann ich sagen: Rundum bunte, abwechslungsreiche, kurzweilige und tolle Tage in Marokko liegen hinter mir und heute, wieder zu Hause, weiss ich, dass ich eines Tages zurückkehren werde.
Salam & alles Gute,
Julia