Manaslu Expedition 2021

Eine abenteuerliche Reise ins Herzen des Ghorka Bezirks im nepalesischen Himalaya

Bericht von Michael Bärtschi, 13.09.2021

Es ist der 29. August 2021. Die letzten Utensilien für das neue Abenteuer im nepalesischen Himalaya liegen wieder auf dem heimatlichen Kellerboden ausgelegt. Wie immer wenn es ins ganz hohe Gebirge geht, muss an alles gedacht werden. Dennoch darf das ganze Gewicht das Limit von 30 kg, verteilt auf zwei Taschen, und 8 kg im Kletterrucksack nicht übersteigen.

Schuhe für den Anmarsch und am Berg, Extremhöhen Kletterstiefel für Höhen über 7000-8000 m, Schlafmatten und Daunenschlafsack, Ober- und Unterkleider, Daunen- und Gore-Tex Regenschutz, technische Kletterausrüstung wie Eispickel, Klettergurt, Helm, Jumar und Eisschrauben, verschiedene Karabiner, Abseilhilfen und Steigeisen, Kappen und Mützen, Handschuhe, Buff, verschiedene Sonnenbrillen für unterschiedliche Schutzgrade, persönliche Hygiene und Medikamente, gut verträgliche Nahrungsmittel für die Hochlager und natürlich Kamera, Fotovoltaik zum Laden des Akku, Stirnlampen und persönliches Tagebuch.

Insbesondere wegen der Corona Situation müssen alle Expeditionsteilnehmer vor der Einreise nach Nepal doppelt geimpft und mit einem aktuellen negativen PCR ausgewiesen sein. Dennoch werden wir wie alle Einreisenden zu einer Woche Quarantäne verpflichtet. Dank einer behördlichen Regelung können wir mittels einer erneuten PCR-Testung vor Ort in Kathmandu aber nach zwei Tagen von der Quarantäne befreit werden und reisen mittels eines Bus und einer anschliessenden sehr abenteuerlichen Jeep Fahrt von Kathmandu westlich in Richtung Phokara.

Nach etwa acht Stunden im Bus lenken wir Richtung Norden nach Besi Shahar, wo wir auf Jeep ähnlich Pick-ups wechseln. Das Mannschaftsgepäck kommt auf den hinteren Teil und wir quetschen uns zu fünft ins enge Vorderteil. Ab Besi Shahar nach Dharapani kann man nicht mehr von einer Strasse sprechen. Eigentlich mehr ein äusserst schlechter Feldweg mit enormen Schlaglöchern welcher die Fahrt auf rund 5 Stundenkilometer reduziert. Zudem kennt das Fahrzeug alle drei Dimensionen. Links und rechts, vorwärts und rückwärts und hoch und runter. Und dies alles zur fast genau gleichen Zeit und mit enormen Ausschlägen in jede Richtung.

Zu allem Übel herrscht jetzt Anfang September noch immer der Monsun. Dies heisst, riesige Wassermassen werden von den aufquellenden Wolken tagtäglich auf das bereits völlig durchtränkte und steile Tal niederprasseln. Die Folgen sind dramatisch. Alle paar Kilometer hat ein reissender Fluss die einzige Brücke weit und breit mitgerissen, oder hausgrosse Felsblöcke und Unmengen an Schlamm haben die „Strasse“ unterspült, weggespült, überspült oder einfach ausgedrückt unpassierbar gemacht. Dies sind sich die Talbewohner jedoch schon lange gewohnt und so sind eine Menge von Baggern und anderen Strassenbaufahrzeugen überall damit beschäftigt, die Strasse doch irgendwie zu gestalten.

Es gelingt uns nicht mittels Jeep bis nach Dharapani zu gelangen. So nächtigen wir in einer einfachen Lodge und gehen den weiten Weg am nächsten Tag zu Fuss. Ab nun gehen wir jeden Tag zwischen sechs und fast zehn Stunden zu Fuss auf dem Weg, der auch als Manaslu Trekking Runde bekannt ist. Via meist winzige Ansiedlungen von einzelnen Lodges wie Surki (2900 m) oder Bimthang (3720 m) geht es stetig aufwärts. Immer noch ist alles sehr grün und die vielen Bäume, Sträucher und Farne schmeicheln unsere Augen. Daneben sind die reissenden Bergbäche und unzählige Wasserfälle klare Anzeichen der enormen Wassermassen, welche weiterhin pünktlich jeden frühen Nachmittag auf uns niederprasseln. Wie bereits erwähnt herrscht noch immer der Monsunregen über weite Teile Indiens und Nepals.

Nebst den Lodge betreiben die Talbewohner Landwirtschaft zur Selbstversorgung, Maultiere zwecks Transport von Trekking oder Bergsteigermaterial und nicht lokalen Nahrungsmittel, sowie Yak-Zucht für Milch (die weiblichen Kühe heissen Nak) und Fleischkonsum. Wobei Fleisch fast nie auf den Teller kommt. Expeditionen und Trekking sind zu 95+% vegetarisch. Das Gemüse kommt dabei aus dem eigenen Garten und schmeckt hervorragend, wenn es auch aus ästhetischen Gründen meist nicht bei uns auf den Markt oder den Grossverteiler kommen würde. Keinesfalls EU- oder CH-Reglementskonform.

Als Höhepunkt unseres einwöchigen Anmarsches zum Manaslu Basislager überwinden wir den über 5100 m hohen Larkya oder Larke Pass um nach Samdo (3700 m) zu gelangen. Diese Königsetappe hat 23 km und im Total 1800 Höhenmeter rauf und gleiche viele Höhenmeter runter zu bieten. Dafür werden wir auf der fast 10-stündigen Etappe nebst Regen und Nebel mit einem schon fast unwirklich blauen Bergsee verwöhnt.

Nach einer Woche täglichen Anmarsches erreichen wir Samagoam am Fusse des Manaslu Gebirges. Hier wird wie verrückt aufgebaut. Viel davon ist noch zerstört vom gewaltigen Erdbeben von 2015. Andere Bauten möchten, die nach dem verheerenden Erdbeben und der touristischen Corona-Katastrophe für Nepal, sehr gerne wieder Trekkende und Bergsteigende Gäste aufnehmen. Ich hatte dank den Übersetzungskünsten meines guten alten Sherpa Freundes Dendi „Everest“ Sherpa mehrfach die Gelegenheit mit der lokalen Bevölkerung Gespräche über ihre aktuelle Lebenssituation zu führen. Ohne diese touristischen Gäste steht in der Provinz Ghorka, wo sich der Berg der Seele Manaslu befindet, alles still. Es gibt ausser der spärlichen Landwirtschaft nichts zu tun. Und so wandern die Jungen notgedrungen nach Kathmandu ab, wo sie in Slums landen und sich als Tagelöhner durchs Leben zu schlagen versuchen. Die Bergtouristen aus der ganzen Welt, sei es aus Asien wie China, Japan, Süd-Korea, oder aus dem Westen wie Europa, Kanada oder den USA, sind die wichtigste Einkommensquelle dieser abgelegen und sehr ärmlich lebenden Bevölkerung Nepals. Ohne diese willkommenen Devisen würde das Land wieder zurück an den Schluss der allerärmsten Länder dieser Welt fallen. Aber nicht nur die Touristen bringen Geld ins Land, sondern auch eine Unzahl von Hilfsorganisationen aus der ganzen Welt betreiben kleinere und grössere Aufbau-, Ausbildungs- und Hilfe zur Selbsthilfe Projekte. Die Bevölkerung scheint dies sehr zu schätzen und in einem gemeinsamen, sehr respektvollen Umgang miteinander gelingen kleine Schritte. Leider haben das bereits erwähnten verheerende Erdbeben und die Corona Lockdowns viele Projekte weit zurückgeworfen und müssen nun in den kommenden Jahren wieder erneut mühselig neu gestartet und wieder aufgebaut werden. Die äusserst sympathische und friedvolle Bevölkerung Nepals hat diese Welthilfe mehr als nur verdient.

Als nächstes geht es ein steiles Tal von 3700 m hinauf zum Basislager BC auf 4900 m. Der Weg ist eng, matschig und es wollen nebst den Bergsteigenden auch die Basecamp Materialien wie Zelte und Nahrungsmittel da hoch. Mit etwas Tempo schaffen wir es in gut 4 Stunden zunächst noch durch urwaldähnliche Wälder (auf 3800 m Höhe wohlverstanden), dann über wiesenähnlich, ja alpin erinnernde Flächen. Wiederkehrende Nebelbänke und beginnender Regen machen die schmalen Wege nicht einfacher und mehrfach müssen wir und die Maulesel reissende Gebirgsbäche durchwaten. Nasse Füsse sind da öfters nicht zu vermeiden, doch gutes Schuhwerk verhindert Schlimmeres.

Das Basislager aller rund 25 verschiedenen Expeditionsteams verteilen sich sehr gut auf mehreren Höhenzügen am Fusse der Schotter- und Gletscherzunge. Weil China alle Berge auf ihrem Staatsgebiet (autonome Region Tibet) als verbotene Zone deklariert hat, das sind zum Beispiel die beiden 8000er Berge Cho Oyu und Shishapagma, und da der Everest im Herbst eh fast nie bestiegen wird, verbleiben kälte- und wetterbedingt nur ganz wenige 8000er Berge, welche sich im Herbst besteigen lassen. So sind etwas mehr Teams als sonst in diesem Jahr am Manaslu anzutreffen.

Das Leben im Basislager ist wie immer sehr einfach, wobei sich die Küchenmannschaft bestehend aus einem Koch und zwei Küchenhilfen enorm Mühe gibt uns sehr gute, gut bekömmliche und nahrhafte Essen zuzubereiten. Die Zelte sind dieses Jahr zwar etwas grösser als früher, doch sie können den Massen von Regen nicht standhalten. So ist jeden Morgen Reparatur und Trockenarbeiten angesagt. Das scheussliche Tagesgangwetter soll noch eine ganze Woche anhalten.

Die Hygienebedingungen sind ebenfalls wie immer rudimentär aber ausreichend. Doch haben wir eine Duschkabine am „Schwimmsee“ (ca. 2-3 Grad kalt) und ein Toilettenzelt. Zudem steht vor dem Messzelt ein einfaches Lavabo wo man sich zuerst die Hände waschen und anschliessend desinfizieren kann. Viel mehr gibt es nicht, brauchen wir aber auch nicht.

Sehr schnell sind die beiden ersten Wochen unserer Manaslu Expedition vorbeigegangen. Wiederum haben uns die überwältigen Eindrücke voll und ganz in Beschlag genommen. Vom wirbligen und lauten Kathmandu bis hin zu den himmlisch Geräuschen eines Bergbaches. Vom bedrohlichen Donnern der ständigen Lawinen und den ersten Schritten in die Eis- und Schneebedeckten Hochlager am Berg wollen wir in den nächsten beiden Wochen berichten.

Namaste und bleiben Sie gesund

Ihr

Michael Bärtschi