Manaslu Expedition 2021

Im Basislager, die Puja und die ersten Schritte am Berg

Bericht von Michael Bärtschi, 17.09.2021

Der Schneeregen, welcher den ganzen gestrigen Tag und die ganze Nacht schwere Last auf unsere Expeditionszelte geladen hat, will einfach nicht aufhören. Täglich kämpfen die Teammitglieder mit tatkräftigster Unterstützung des Sherpa Teams gegen das Spätmonsun Wetter an. Im Laufe des Morgens steigen die Temperaturen auf gut +5 Grad an, so dass der nächtliche Schnee sich im Laufe des Tages verflüssigt und abfliesst. Unser Blick geht aber zu massigen, mit mehreren Couloirs versetzten Felswand hoch welche sich nord-westlich von uns über 1500 m über unser Basislager erhebt. Tiefes Grollen, welches an das Donnern eines schwülen Sommergewitters erinnert, erklingt wieder und immer wieder. Riesige Staubwolken von Schnee, Eis und Felsbrocken ergiessen sich über die verschiedenen Couloirs und landen zum Schluss mit einem Knall auf den sicherlich über 100m hohen Schnee- und Schutthügel am Fusse der eindrucksvollen senkrechten Wand. Dieses Schauspiel wiederholt sich mehrmals die Stunde und nach einigen Tagen erschrickt niemand mehr wenn es wieder zu Grollen und Toben beginnt. Wir wissen, unser Lagerplatz wurde weise gewählt und wir sind sicher von dieser Natur-Urgewalt.

Doch schauen wir einige Tage zurück und beginnen am letzten Sonntag. Die Vorfreude ist schon am Samstag Abend zu spüren, denn am Sonntag soll die schon sehnsüchtig erwartet Puja, das rituelle Zeremoniell unter der Leitung eines lokale Lamas (buddhistischer Priester) stattfinden. Die Küchen Crew und das Sherpa Team haben mit viel Inbrunst kleine farbige Figuren geformt und in der Küche vor dem kleinen und mit viel Liebe hergerichteten Altar gelagert. Man spürt die grosse Achtung vor dem Berg, dem Sitz der Berggötter und erwünscht sich von ihnen Gesundheit, Schutz und natürlich die Erlaubnis sich dem Berg nähern zu dürfen.

Am Sonntag morgen dann vereinnahmen die Puja Vorbereitungen die ganze Konzentration. Es wird aus Teig kleine Gebäcke im brodelnden Öl gebacken und der grosse Steinaltar, welcher in den meisten Basislagern der Expeditionsteams errichtet wurden, wird mit viel Liebe und Hochachtung geschmückt.

Dem mit viel Liebe, Respekt und farbenfrohen Banderolen und Flaggen geschmückten Altar werden Reis, weitere Nahrungsmittel, Gebäck, alkoholische Getränke, aber auch wichtige Ausrüstungsgegenstände zum Bergsteigen zur Segnung beigelegt. So zum Beispiel die hohen Bergschuhe oder die Eispickel, die Steigeisen oder Handschuhe. Mit der Segnung durch den Lama erhoffen sich alle gutes Glück am hohen Berg.

Der sympathische alte buddhistische Priester, welcher extra für die Puja mit seinem Hund von Samagoan unten bis zu uns ins Basislager hochgestiegen ist, beginnt im Nebelrauch der extra für die Zeremonie verbrannten Sträucher mit seiner stundenlangen Liturgie. Mit monotoner Stimme werden buddhistische Wünsche und heilige Sprüche rezitiert. Dafür liest er aus den vor ihm liegenden heiligen Schriften mit einer unglaublichen Ruhe und Gelassenheit vor. Von Zeit zu Zeit werden zusätzlich zum Gebet auch eine Trommel und Tschinellen eingesetzt, so dass die Götter auch wirklich unsere Wünsche zu hören bekommen. Auch unsere Sherpas setzten sich mit Inbrunst bei der Zeremonie ein und assistieren dem Lama mit besten Kräften.

Zum Schluss der fast zweistündigen Prozedur werden sehr lange Gebetsfahnen vom Altar aus in alle Himmelsrichtungen gespannt. Der Zweck der farbigen Gebetsfahnen ist, die Gebete und Wünsche mittels des Windes hoch in die Lüfte zu tragen, so dass die Götter sie leicht erhören können.

Und als hätten uns die Berggötter bereits erhöht, strahlt der Ostgipfel in strahlend blauem Himmel. Ein gutes Omen, so hoffen wir alle im Team.

Leider blieb das Wetter wie eingangs erwähnt nicht so schön und der Spätmonsun hat uns mit starkem Regen und schwerem Schnee fast die ganze Woche schon im Griff.

Ungeachtet des Wetters muss die Akklimatisation jedoch weiter gehen. Diese Woche wurden zwei Rotationen durchgeführt. Am Montag ging's vom Basislager hoch über mehrere Gletscherstufen auf das Hochlager 1 (Camp 1) auf 5800m Höhe. Zuerst den steinigen Weg an anderen Expeditionsteams vorbei zum so genannten „Crampon Point“. Dies ist der Ort wo man den Gletscher betritt und daher die Steigeisen anzieht, sich den Klettergurt überstreift und den Eispickel zur Hand nimmt. In den Alpen würde man wegen der vielen Gletscherspalten aus Sicherheitsgründen nun ans Mannschaftsseil angegurtet werden. Hier haben die Sherpas zur Sicherung ein Fixseil aus dünnem „Korean Rope“ gespannt. Mittels seines Sicherungskarabiners hängt man sich nun in dieses Fixseil ein und ist somit bei einem Sturz genügend gesichert. Wird es steiler kommt der Jumar (die Steighilfe) zum Einsatz. Dieses wertvolle Instrument hängt man zusätzlich zum Sicherungskarabiner ins Fixseil ein und kann bei steilen Passagen den Jumar nach oben stossen und sich daran zusätzlich zur starken Beinarbeit mittels Armzug nach oben arbeiten. So bleibt man doppelt vor Sturz gesichert und hat eine Steighilfe zum kräftemässig nachhaltigeren Bergsteigen. Über mehrere Gletscherstufen geht es also Schritt für Schritt, vorbei an imposanten Gletscherspalten und zu Eis gefrorenen Wellengebilden. Würde man wegen der Höhe nicht so heftig schnaufen, hätte man etwas mehr Muse die unbeschreiblich kalte aber faszinierende Landschaft geniessen.

Nach fünf Stunden Aufstieg kommen wir etwas erschöpft aber glücklich im Camp 1 an. Eine kurze Mahlzeit kommt da wie gerufen. Auch unsere starken Sherpas sind da nicht abgeneigt.

Während wir am Montag nur ein sogenanntes „Touchdown“, also nur bis ins Camp hochsteigen und anschliessend wieder ins Basislager absteigen, durchführen, übernachten wir vom Mittwoch auf den Donnerstag im Camp 1. Leider war es wegen des schlechten Wetters und der noch nicht durchgeführten Sicherung im Gletscher oberhalb des Camps dann aber nicht möglich noch bis zum Camp 2 hochzusteigen. Dies werden wir an diesem Wochenende versuchen nachzuholen.

So entlasse ich Sie, geneigte Lesende mit faszinierenden Eindrücken aus einer einzigartigen Welt, dessen Privileg wir haben erleben zu dürfen.

Werden wir Camp 2 auf 6400m und Camp 3 auf 6900m erreichen ? Werden wir die schwierige Gletscherpassage meistern können ? Und bleiben alle gesund ?

Sie erfahren es Ende September. Ihr Michael Bärtschi

Verfolgen Sie via Garmin Track den Verlauf der Expedition: https://share.garmin.com/EGBH6