Hochtour Monte Rosa - Spaghetti Tour

14.-18. August 2023, mit Kobler&Partner-Bergführer Uli Meyer

Bericht von V. Arber, 24.08.2023

Tag 1

Die neue Gore-Tex-Jacke harmoniert farblich mit den königsblauen Bergschuhen. Ein letzter Check, ob der Rucksack das Wichtigste beinhaltet. Es ist kurz nach 8 Uhr und für die asiatische Touristin – und für viele andere Gäste aus aller Welt – geht es heute zum Matterhorn Glacier Paradise.

Auch wir sind (bis auf den fehlenden Höhenmesser ) gut ausgerüstet und machen uns gleich auf den Weg zum kleinen Matterhorn. Unseren Bergführer, der das Geschehen auf dem Bahnhofsplatz von einer Parkbank aus beobachtet, erkennen wir sofort. In den nächsten 5 Tagen wird Uli mit uns – Alessandro, Michael und Vanessa – das gesamte Monte-Rosa-Massiv durchqueren.

Im Gruyèrekäse-gebrandeten Elektrobus fahren wir entlang der grünen Linie bis zur Endstation. Von hier aus bringt uns die Bergbahn bis auf über 3800 m Höhe. Langsam entfernen wir uns vom Trubel und passieren ein Schild, das vor den Gefahren des alpinen Geländes warnt. Es geht los!

In einer Vierer-Seilschaft nehmen wir den Aufstieg zum ersten Gipfel unter unsere Steigeisen. Uli läuft gemächlich los, heute würden wir uns “a bissl einlaufen”. Nach der Überschreitung des Breithorns, über den Zentral- und Westgipfel, und einem abenteuerlichen Abstieg ins Rifugio Ayas sind Michael und Vanessa sich einig: a bissl einlaufen war a bissl untertrieben. Der teilweise schneebedeckte Gletscher verlangte uns mindestens einmal eine ordentliche Portion Mut ab.

Gut, dass die Italianità nicht lange auf sich warten lässt. Wenig später sitzen wir mit Che Guevara in der originell eingerichteten Stube der lebendigen Ayashütte. Vor dem verdienten Mittagsschlaf geniessen wir einen Piatto Pasta al Pesto und einen authentischen Caffè. Viva la revolución!

Tag 2

Kurz nach 5 Uhr treffen wir uns beim Colazione, heute steht die Castor-Überschreitung auf dem Programm. Dessen steiler Firngrat sei zurzeit ziemlich ausgesetzt. Daher entschieden wir uns gegen die vorherige Besteigung des Pollux. Wir möchten unsere Kräfte (und Nerven) ganz dem Castor widmen. Nachdem wir dessen steile Westflanke erklommen haben, erreichen wir eine kleine Mulde. Der luftige Gipfelgrat steht bevor. Yallah!

Wir haben kalte Füsse, einige im wörtlichen und andere im übertragenen Sinne. Uli empfiehlt uns, langsam zu gehen und die Steigeisen “mit etwas Elan” einzusetzen. Er wirkt – im Gegensatz zu uns – ziemlich entspannt. In den nächsten Minuten setzen wir auf den Tunnelblick. Auf dem zweiten Viertausender angekommen, gratulieren wir uns gegenseitig. Wir sind wir stolz und überwältigt. Von diesem Gipfel aus haben wir eine majestätische Aussicht auf eine für uns neue Seite des Monte-Rosa-Massivs.

Nach einer kurzen Verschnaufpause steigen wir direttissima hinab zum schönen Rifugio Quintino Sella. Diese Hütte liegt auf einem breiten Schotterbett über dem italienischen Aostatal. Auf der Terrasse lassen wir uns von der Mittagssonne wärmen, justieren unsere Steigeisen nach und stärken uns mit Pizza und Omelette. Die Spaghetti erwarten uns schliesslich zum Znacht.

Tag 3

Über dem Aostatal hängt eine riesige Gewitterzelle. Während wir uns fertigmachen, beobachten wir, wie es im Tal blitzt. Uli ist erfreut über unser speditives Aufbruchmanöver. Es bleibt also kurz Zeit, um den klaren Sternenhimmel über der Hütte zu bewundern.

Heute überqueren wir den Naso, die zweite Schlüsselstelle unserer Tour. Dessen Flanke ist so steil, dass Uli uns mit Eisschrauben sichern wird. Um unsere “Wadl” zu schonen, könnten wir die Steigeisen nach dem Einsetzen vorsichtig nach unten pressen. Uli geht voraus und legt eine schöne Spur. Er freut sich über die tollen Verhältnisse am Naso. Der Neuschnee kommt uns entgegen, und die Kraxelei funktioniert besser als erwartet. Oben angekommen freuen wir uns auf das, was uns bevorsteht. Laut Uli ist von hier an “alles Urlaub". Nach dem vielfältigen Abstieg durch Firn, Fels und Schotter folgt eine lange Gletscherwanderung zum Zwillingsjoch.

Von hier aus besteigen wir die Ludwigshöhe und die Jungs den Corno Nero. Wiedervereint nehmen wir uns zwei weitere Gipfel vor: Zunächst das Balmenhorn mit seiner Christusstatue. Frisch gesegnet erklimmen wir die schöne Vincentpyramide. Uli ist zufrieden mit der Leistung seines Teams – und natürlich mit den Verhältnissen ! Ausgepowert, aber glücklich steigen wir auf der Überholspur ab zur Capanna Gnifetti.

Wir haben schon vieles über den Pferdestall – äh die Hütte – mit über 200 Übernachtungsplätzen gehört. Beispielsweise, dass die Hüttenwartin Erika super sei. Schnell wird uns klar, dass die Sympathie beidseitig ist. Uli sichert uns mit seinenConnections eines der besten Zimmer des Hauses. Vor dem täglichen Mittagsschlaf geniessen wir hausgemachte Ravioli und Tagliolini.

Den Bergführer Bruno und seine Gruppe suchen wir heute Abend vergeblich. Sie machen dieselbe Tour wie wir und bislang sind wir ihnen täglich begegnet. Wie wir später erfahren, übernachten sie in der etwas tiefer gelegenen Capanna Mantova. Beim Nachtessen lassen wir unsere Tour ausnahmsweise mit einer anderen Gruppe Revue passieren. Zum Nachtisch serviert uns Paolo einen buonissimo tiramisù. Buona notte!

Tag 4

Wir treffen uns um 4.30 Uhr beim Frühstück. Mit dem frischen Brot macht das nächtliche Essen sogar Freude. Das Wetter sei etwas durchzogen, warnt Uli. Er wird die Situation laufend beobachten. Im schlimmsten Fall werden wir direkt zur Capanna Margherita aufsteigen, im besten Fall erklimmen wir auf dem Weg die Parrot- und die Zumsteinspitze.

Gegen 8 Uhr erreichen wir den Fuss der Parrotspitze. Uli gönnt uns eine kurze Pause.”'Des schaut gut aus”, sagt er, “à l'attaque”. So ganz wie Urlaub wird sich die Traverse nicht anfühlen. An einigen Stellen versinken wir in Graupel, später wird der Grat zeitweise steil und schmal. Nebel und Sonne wechseln sich ab. Während wir vorsichtig einen Fuss vor den anderen setzen, geniessen wir das beeindruckende Wettergeschehen. Auf der anderen Seite des Viertausenders angekommen, setzen wir unseren Aufstieg in Richtung Capanna Margherita fort. Der Weg zieht sich, doch die Vorfreude auf ein Stück Pizza hält uns bei Laune.

Links von uns thront die Zumsteinspitze auf 4563m, rechts von uns, nur 9 Meter tiefer, liegt die Capanna Margherita auf der Signalkuppe. Einige von uns sind unsicher, ob der direkte Weg zur Hütte nicht die bessere Wahl wäre. Doch Uli ist überzeugt: “Jemand, der müde ist, sieht ganz anders aus”. Wir vertrauen auf sein Urteil und biegen links ab. Wir werden esnicht bereuen, von der Zumsteinspitze aus scheint die Dufourspitze, der höchste Gipfel in der Schweiz, zum Greifen nah. Nach einem kurzen Fotostopp machen wir uns auf den Weg zur Pizza und Capanna Margherita.

Mit Freudentränen in den Augen stehen wir vor der höchstgelegenen Hütte Europas. Um uns herum ist inzwischen alles in Weiss gehüllt – unser Timing hätte nicht besser sein können.

Tag 5

Wir haben im Takt eines sanften Technobeats geschlafen. Aufgrund der dünnen Luft musste unser Herz etwas mehr arbeiten. Dennoch haben wir die Nacht auf über 4500 m Höhe gut überstanden.

Der Nebel hat sich aufgelöst, die Sicht ist an diesem Freitagmorgen klar. Wir geniessen die Weitsicht. Sowohl der Mont Blanc in Frankreich als auch der Gipfel des Gran Paradiso, des höchsten Bergs Italiens, sind zu sehen. Ebenso bestaunen wir das Lichtermeer von Mailand. Mit 10 bzw. 11 Viertausender im Sack machen wir uns bereit für den langen Abstieg zurück nach Zermatt.

Auf dem zerklüfteten Grenzgletscher zwischen uns und der Monte Rosa-Hütte lauern verschiedene Gefahren. Zügig passieren wir eine Zone, in der gelegentlich Eis und Fels herabstürzen. Die vielen Spalten gleichen einem komplexen Labyrinth. Glücklicherweise kennt unser Bergführer den Gletscher beinahe auswendig.

Auf der Sonnenterrasse der Monte-Rosa-Hütte angekommen, geniessen wir ganz im Schweizer Stil Rivella, Suure Most und den von Kobler & Partner offerierten Walliser-Teller (mit 70 Gramm Käse ). Auf dem alten Pfad wandern wir zur Station Rotenboden. Ein ungewohntes Gefühl, plötzlich ohne Seil und Steigeisen unterwegs zu sein. Entspannt fahren wir mit der Gornergrat-Bahn hinunter nach Zermatt.

Zurück auf dem Bahnhofsplatz, beobachten wir, wie die Touristengruppen sich aufmachen zum nächsten Highlight ihrer Reise. Auch für uns ist es nun an der Zeit, aufzubrechen. Nach fünf unvergesslichen Tagen im Monte-Rosa-Massiv und zehn bzw. elf besteigenen 4000ern verabschieden wir uns voneinander. Wir hoffen auf eine baldige Gelegenheit für eine nächste gemeinsame Bergtour. Uli und seine optimistische, gelassene und interessierte Art werden uns fehlen!