Das Camp 3 am Mt. Everest auf der Nordseite in 8.300 m Höhe bietet zwar eine phantastische Aussicht zum Cho Oyu und andere Himalaya Giganten hinüber und nach Tibet hinunter, als Campingplatz hat das Hochlager aber den Nachteil jener veritablen Schräglage, gegen die anzukämpfen auf Dauer keinen Sinn ergibt. Wenn zu diesem permanenten Zug nach unten, der allgemeinen Sauerstoffknappheit in doch beträchtlicher Höhe und der Überbelegung des Zeltes mit Sherpas draussen noch ein tobender Sturm dazukommt, dann führt das manchmal zu jenen Panikattacken, die deinen Körper hoch- und geradezu aus dem Schlafsack herauskatapultieren, weil du im Moment überzeugt bist, deine letzte Stunde hätte eben geschlagen. Den Nuru Sherpa imponiert das alles nicht, der 15-malige Everest Bezwinger schläft seit seiner Ankunft am frühen Nachmittag und in jener grosszügigen Präsenz, die einen - an die Zeltwand gepresst - verzweifeln lässt. Kari funkt mit britischem Understatement vom ABC herauf, der Wind würde zwar noch etwas zunehmen, im Laufe des morgigen Tages aber einschlafen. Ausserdem käme er aus Südwest, würde uns also auf der Nordseite nicht weiter tangieren. Nun gilt es Nerven zu bewahren: Wir haben nur einen Versuch! Starten wir zu früh in den Sturm hinaus und müssen wegen der Kälte umdrehen, ist die Sache gelaufen. Aber zu spät geht auch nicht! Um Mitternacht murmelt Nuru „too much wind!“ und schnarcht weiter. Wir warten bis drei, dann schälen wir uns aus den Daunen, Gelu Sherpa, der als Backup in Camp 3 bleibt, macht uns einen Kaffee und dann geht`s hinaus in die schwarze Nacht.
Schon am Mushroom Rock oben wird es hell, wir sehen einen phantastischen Sonnenaufgang, aber auch der Wind peitscht mit gewaltigen Böen gegen den Grat. Am Second Step mit seinen wackligen Leitern kommen uns schon die ersten Chinesen entgegen, von hier sind es noch drei Stunden. Mit Kari am Funk legen wir die Umkehrzeit auf 12.00 Uhr fest. Oberhalb vom Third Step kommen uns Christoph und Kusang entgegen, kurzes Händeschütteln, keine Zeit für Sentimentalitäten, danach stapfen wir eine lange Schneeflanke hinauf, Nuru schimpft, wir seien zu spät dran, er will umdrehen. Wir queren in die Nordflanke hinein, über ein Band geht es zurück zum Grat, noch ein paar Aufschwünge im Schnee und dann stehen wir oben bei den Gebetsfahnen des Mt.Everest. Unsere kleine Gruppe hat den Gipfel für sich allein. Es ist 11.00 Uhr, wir sind acht Stunden ohne Pause geklettert. Es ist windstill am Dach der Welt.
Ingrid Schittich (63) aus München besteigt mit dem Mt. Everest (8.848 m) am 15.5.2018 in beeindruckender Manier ihren letzten Seven Summit.
Wir von Kobler & Partner gratulieren zu diesem vorläufigen Höhepunkt einer beeindruckenden alpinistischen Karriere ganz herzlich!
Grüsse aus Kathmandu,
Andreas Neuschmid
Bergführer Everest 2018