Die nächsten Tage warfen wir uns also wetterbedingt in die Routine des Base Camp inklusive Wäsche waschen, Ausruhen und regelmässig drei mal täglich sehr guter Küche.
Endlich meldete der Wetterbericht ein mögliches Zeitfenster für einen Gipfelversuch. Nun galt es vom gemächlichen Base Camp-Leben wieder auf Gipfelmodus umzustellen und die Rucksäcke zu packen. Interessant war die unterschiedliche Materialtaktik: Einige hatten den warmen Schlafsack im Camp 3 gelassen und nahmen nun den Base Camp-Schlafsack ins Camp 1, mit dem Vorteil eines absehbar leichteren Rucksacks im Anstieg vom Camp 1 ins Camp 3. Andere hatten den warmen Schlafsack vom Camp 3 ins Camp 1 runtergenommen, mit dem Vorteil einer wärmeren Nacht und eines leichteren Anstiegs ins Camp 1.
Wie auch immer, am nächsten Tag brachen wir bei schlechtem Wetter und Schneefall vom Base Camp auf in Richtung Camp 1, wo wir die bekannten Zelte wieder bezogen und auch das zurückgelassene Material wieder vorfanden.
Der nächste Tag zeigte eine Wetterbesserung und wir brachen auf in Richtung Gletscherbruch und Camp 2. Sogleich wurde deutlich, dass die Wegführung an vielen Stellen durch das Fixing-Team geändert wurde (das Fixing-Team wird von allen Expeditionen finanziert, um die Sicherungen anzubringen und zu unterhalten). Die objektiven Gefahren in Form von wahren Orgeln an Eiszapfen und fragwürdigen Leitern waren aber weiterhin vorhanden. Darüber hinaus waren im Vergleich zum ersten Mal sehr viel mehr Bergsteiger unterwegs, so dass es an den Schlüsselstellen längere Wartezeiten gab. Bei diesen Anstiegen auf vorgespurten Routen geht jeder sein eigenes Tempo, so dass man durchaus über Stunden alleine unterwegs ist, abgesichert durch einen Sherpa als Schlussmann. Schliesslich wurde das Camp 2 passiert und das Camp 3 erreicht. Interessant war, dass keiner den Anstieg als einfacher empfunden hat als beim ersten Mal, trotz der mittlerweile besseren Akklimatisierung und leichteren Rucksäcke.
Im Unterschied zum ersten Mal hatte sich das Camp 3 diesmal mit vielen Zelten anderer Expeditionen gefüllt. In der Nacht kam ein unerwartet starker Wind auf, der auch den nächsten Tag prägen sollte. Am nächsten Morgen war aber von jedem zunächst die wichtige Entscheidung zu treffen, ob die Daunenausrüstung angelegt wird oder eine verstärkte Alpinausrüstung für den Aufstieg ins Camp 4 genügt. Die Entscheidung war schwierig, da das Camp 3 etwas windgeschützt lag und die Morgensonne wärmte. Es sollte sich aber schon bald nach Verlassen des windgeschützten Camp 3 zeigen, dass die Daunenausrüstung nötig war. Der Wind erreichte eine derartige Stärke, dass die Trittspuren auch grösserer Gruppen sofort wieder verweht waren und neu gespurt werden musste. Auch waren in den Fixseilstellen Gruppen trotz Sauerstoffeinsatz derartig langsam unterwegs, dass kein Gehrhythmus gefunden werden konnte und Auskühlung drohte.
Nach einem langen Tag in Camp 4 angekommen, wurden die von den Sherpas vorbereiteten Zelte bezogen. Die Windstärke hatte sich mittlerweile soweit zugespitzt, dass der Gipelsturm am nächsten Tag fraglich wurde und Richi in der Schweiz die Wetterlage eruieren musste. Glücklicherweise war das Windmaximum erreicht und der Weg zum Gipfel begann um 04:30 Uhr. Der Gipfel kam schon bald in Sichtweite, jedoch erforderte es lange Wege und grosse Strapazen bis er erreicht war.
Am Ende des Tages gratulieren wir Lukasz, Christoph, Konrad, Daniel und Expeditionsleiter Richi Bolt sowie den Sherpas Rinshi, Youngster Sonam und unserem Sirdar Kusang zum Gipfelerfolg und zur gesunden Rückkehr ins Base Camp nach einer weiteren Nacht in Camp 3 bzw. Camp 1. Richi erreichte den Gipfel um 09:30 Uhr und war nach etwa 3500 Höhenmeter Abstieg pünktlich zum Abendessen wieder im Base Camp. Dabei ist im Abstieg die gesamte auf die verschieden Camps verteilte persönliche Ausrüstung wieder einzusammeln und im entsprechend schweren Rucksack runterzubringen.
Beim Höhenbergsteigen wird die Komfortzone bewusst verlassen und es gilt die maximale körperliche Leistung trotz Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Minimalhygiene, Gaskocheressen, Wassermangel, Ausrüstung im Schlafsack, unebenen vollgestopften Zelten, langen schlaflosen Nächten usw. punktgenau zu erbringen. Mit zunehmender Höhe nähert man sich der bisher unbekannten persönlichen Leistungsgrenze und die Teilnehmer Silvia, Urs, Klaus, Dominik, Tinu und Martin verdienen unseren Respekt, dass sie sich bis dahin gefordert haben und deren Positionierung durch eine verantwortungsvolle, rechtzeitige Umkehr akzeptiert haben. An einen Rettungsversuch in dieser Höhe mag man nicht denken.
Schliesslich waren alle wieder im Base Camp vereint und es galt das Erreichte zu feiern. Bei Fondue wurde das Rauchverbot im Gruppenzelt aufgehoben und es wurde Richis Mahnung „Viel trinken“ derart gefolgt, dass am nächsten Morgen einige entsprechend gezeichnete Gesichter zu sehen waren.
Wir werden nun im wahrsten Sinne des Wortes unserer Zelte am Manaslu abbrechen und mit unzähligen neuen Eindrücken und Erfahrungen die Heimreise antreten.
Dieses Abenteuer wird uns lange in bester Erinnerung bleiben.