In Kathmandu starten wir mit dem obligatorischen Besuch im Ministerium, um in einem sehr formalen Akt alle Auflagen für die Besteigung anzunehmen. Deutlich lustiger gestaltet sich danach das Abendessen mit Bille Bierling im Thamel, die uns für ihre Aufzeichnungen befragt und diese am nächsten Morgen beim Frühstück noch ergänzt.
So eingewiesen und erfasst beladen wir unseren Bus mit dem riesigen springenden Tiger auf königsblauem Grund und kurven einen Tag lang über abenteuerliche Wege nach Besisahar. Unterwegs gabeln wir noch Anja auf, die eine befreundete nepalesische Familie besucht hat, bevor wir eine äußerst schwül-warme Nacht bei wildem Monsun-Gewittern in diesem letzten größeren Ort verbringen.
Von Besisahar geht es in drei Jeeps weiter - die Piste ist vom Monsun so arg mitgenommen, daß unseren Fahrern echte Meisterleistungen abgefordert werden. Auch einige von uns nähern sich ihren nervlichen Grenzen... Drei Mal wird unsere Fahrt unterbrochen, weil Murenabgänge die Piste unpassierbar gemacht haben, drei Mal müssen wir unser Gepäck über unbefahrbare Abschnitte tragen und in neue Jeeps verladen, die mit Voraussicht organisiert waren. An der wildesten Stelle warten wir lange auf die Freigabe durch die Polizei, bis der provisorisch in den weggerutschten Hang gehackte Pfad halbwegs sicher erscheint und neben uns auch eine Familie mit Säugling hinüber balancieren kann. Nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir - erschöpft und erleichtert zugleich - Koto, wo neben dem befahrbaren Anschluß mit dem letzten WiFi-Hotspot auch der digitale Anschluß an die Welt ein Ende hat.
Es folgen zwei wunderbare Trecking-Tage durch eine abwechslungsreiche Landschaft, entlang an tosenden Flüssen in höhere und schmälere Täler. Die wenigen Dörfer sind nicht mehr dauerhaft besiedelt, heute sichern Lodges für die Trecking-Saison das Ein- und Auskommen. Mit großer Hingabe werden die Wege verbessert - unser Respekt gehört den Baumeistern, die in kleinen Gruppen, an Hanfseilen gesichert, auf Bambusgerüsten balancierend und mit Handmeißeln ausgestattet, steilsten Felspassagen gangbare Pfade abringen, wenn wieder eine Lawine oder Mure den alten Weg zerstört hat...
So erreichen wir nach zwei Tagen auf gut 4.000 m.ü.d.M. das bewohnte Dorf Phu, in dem wir einen Ruhetag einlegen: mittelalterlich anmutende Steinhäuser auf einem Hügel, mit eingebetteten Getreidefeldern und kleinen Gewächshäusern, und am Dorfbrunnen nehmen wir Teil am kollektiven Waschen, Spülen und Zähneputzen sowie beim Besuch des benachbarten Klosters am Abliefern des monatlichen „Zehnten“ in Form von Reis-, Getreidesäcken und der Arbeitsleitung für das Kloster
Auf ca. 4.800m erreichen wir dann unser Fünf-Sterne-Basecamp auf einer almartigen Hochwiese, auf der uns in Folge wechselnd Pferde-, Yak- und Ziegenherden besuchen, die nächtlich durch gute Geister davon abgehalten werden müssen, Socken und Stöcke anzuknabbern, Zeltplanen abzuschlecken oder sich in Spannseilen der Zelte zu verheddern. Uns empfängt Wetter wie im schottischen Hochland: wechselnder bis anhaltender Regen, ebensolcher Nebeln, Schnee und Graupel... An einem der ersten Tage kam der „Freelancer“-Mönch aus Phu herauf, um unsere Besteigung zu segnen. Das Warten auf bessere Verhältnisse wird durch großartige Verpflegung versüßt, erwähnt seien nur die vegetarischen Momos, der Apfel-Zimt-Kuchen, das Käsefondue oder das üppige Frühstück aus Rösti mit Spiegelei, Pancakes mit Sirup oder Apfelpfannkuchen! Zu den täglichen Ritualen gehören der herrliche Bohnenkaffee aus der großen Bialetti, die heißen, duftenden Morgentücher, Gänge auf die umliegenden Hänge und große Kannen Ginger-Lemon-Tea - der nachmittägliche Regen wird in den Zelten ausgesessen, nur durchbrochen vom regelmäßigen Geräusch der Reißverschlüsse, das einen Gang zu den kleinen gelben Zelten ankündigt...
Doch dann: BLAU! BERGE!! Unglaubliche Sicht! Die Rucksäcke sind gepackt, der Materialtransport beginnt. Moräne runter, rüber über den wilden Pangri-Gletscher, Moräne hoch, Hochlager 1(5470m) - endlich! Im Schnee aufgewacht, weiter zu Hochlager 2 (6060m) über wilde Schotterhänge und kurze durch Fixseile gangbar gemachte Felspassagen und ab dem Crampon-Point vorbei an Seracs mit immer besserem Blick auf den Gipfel. Jetzt haben wir ein Bild vor Augen, das Schleppen und Schnaufen hat ein Ziel. Wieder zurück in Camp 1 erwarten und eigentlich Beef Stroganoff und Stocki aus Tüten - doch wo kommt unser Chefkoch Pasang plötzlich her, was macht der Meister des Küchenzelts hier oben? Er hat tatsächlich eine Schokoladentorte und Rotwein über Gletscher und Moränen balanciert (3,5 Std.) und entzündet auf 5.500m Wunderkerzen zu Ulis 50stem Geburtstag!! Schneller war selten eine Torte aufgefuttert... Die letzte Akklimatisationsnacht im Hochlager verläuft gut und das Zittern ums Wetter endet, als Uli vom Schweizer Wetterdienst ein ausreichendes Fenster für die kommenden Tage bekommt, das uns die hoffentlich letzten Regentage im Basecamp bei Top-Verpflegung und etlichen Runden UNO ausharren läßt. Dankbar duschen wir noch der Reihe nach - muß das Wasser doch zu Fuß vom Gletscher heraufgetragen werden - und hoffen uns gut gerüstet für den kommenden Morgen. Dann starten wir wiederum zu Lager 1, das wir bei starkem Schnee erreichen. Am nächsten Morgen geht es direkt weiter durch reichlich frisch gefallenen Schnee ins Lager 2 wo wir noch im starken Schnee die Zelte aufbauen bevor wir müde und nass in die feuchten Schlafsäcke sinken.
Das vorhergesagte Wetterfenster zaudert, daher werden 22 Uhr, 23 Uhr und 24 Uhr als alternative Startfenster festgehalten und erst um Mitternacht ist es soweit klar, daß fünf Personen starten, die soweit fit sind, dass sie die lange, strenge Gipfeletappe in Angriff nehmen können. Um kurz nach drei kehren zwei Personen erschöpft zurück und schließen sich dem morgendlichen Abstieg der Übrigen an.
Doch drei Teilnehmer schaffen es, mit Mingmar und Pasang - unseren beiden Sherpas - bei sehr warmem und fast durchwegs bewölktem Wetter auf den Gipfel des Himlung Himal. Durch die ergiebigen und anhaltenden Niederschläge der letzten Tage und Wochen war die Gipfelflanke noch mit reichlich knieftiefem Schnee gefüllt und machte ein Vorwärtskommen nur sehr kräftezehrend möglich. Nach 16 Std. war das ganze Team wieder zurück im C2.
Nach dem Rückbau des Lagers 2 und 1 war dann 24h später das gesamte Team wieder gesund, wohlbehalten, zehn Jahre gealtert und ein paar Kilo leichter wieder im Basislager beieinander. Es folgte noch ein verregneter Ruhetag bevor wir uns am Morgen des 29.09. auf den Abstieg Richtung Meta und Koto machten.
In Koto sollte dann noch eine Überraschung auf uns warten, von der wir zu diesem Zeitpunkt noch nichts wissen konnten...
Neben dem Genuss einer heißen Quelle (Überraschung Nr. 1 und wir sind nahezu 2,5 h bei fast 40C in der großen Badewanne gesessen) nahe Koto konnte uns als Nr. 2 am nächsten Tag ein Hubschrauber nach Besisahar fliegen: Die Straße war immer noch von Erdrutschen unterbrochen und eine Expedition aus Dubai hatte bereits die Flüge organisiert, um in das Tal hinein zu fliegen – so nutzen wir, dank der guten Verbindungen des Teams von Himalaya Vision, die leeren Rückflüge, um mit samt unserem Gepäck das wilde Tal auf dem Luftweg zu verlassen.
Nach weiteren 7 h Autofahrt fanden wir uns am gleichen Abend noch bei einem wohlverdienten Bier und Wein im ruhigen Garten des Shangri-La Hotels wieder. Der Kreis hatte sich wieder geschlossen.
Auch wenn für einige von uns der Gipfel nicht möglich gewesen ist, bleiben uns viele schöne Bilder im Hochtal von Phu, viele herzliche Begegnungen mit den Bewohnern des Tales sowie ein einsames, grünes Basislager am Himlung Himal in Erinnerung.