Nachdem es an unserem ersten Ruhetag in der Base Camp Lodge noch trocken blieb, war die Überraschung am nächsten Morgen doch gross: Alles war weiss. Schnee bis ins Basis Lager im Oktober? Kein Sherpa in der Lodge konnte sich erinnern, dass es je so viel Schnee zu dieser Zeit gab. Leider war dies erst der Anfang und es schneite die nächsten beiden Tage quasi ununterbrochen weiter. Natürlich stellten wir uns öfters die "Was wäre wenn?"- Frage. Wären die Seile nur einen Tag früher drin gewesen - wir wären bestimmt schon auf dem Weg zurück nach Lukla. Auch dem Internet machte der viele Schnee offensichtlich zu schaffen und so waren wir wieder auf Andreas Neuschmid angewiesen, der uns via Satellitenkommunikation über das Wetter der nächsten Tage auf dem Laufenden hielt. "Freitag ist perfekt!". Skeptisch starteten wir also am Mittwoch Morgen bei leichtem Schneefall Richtung Camp 1. Wieviel Schnee hat es wohl oben gegen? Die Spur wurde tiefer und tiefer und ich erinnerte mich an ältere Berichte über die Ama Dablam. Dort musste Wasser ins Camp 1 getragen werden, da es keinen Schnee zum schmelzen gab. Ich fragte mich was den nun einfacher ist: Durch Knie tiefen Schnee zu stapfen oder Wasser hoch zu tragen. Egal - immer weiter. Auf ca. 5100 m.ü.M. riss es dann langsam auf. Was für ein toller Anblick auf die umliegende, tief verschneite Landschaft. Trotz unserem leichten Rucksack, dank unserem Depot im Lager 1, brauchten wir wegen dem Schnee viel länger als beim letzten Mal. Schon von weitem sahen wir dann unsere gelben Zelte im Schnee. Von unten sah alles noch ganz gut aus. Endlich oben angekommen dann die Ernüchterung: Beide Zelte waren auf der uns abgewandten Seite komplett vom Schnee eingedrückt. Also schaufelten wir erstmal die Zelte frei. Zum Glück hatten wir noch Ersatz dabei und ersetzen das kaputte Zelt. Im Zelt dann die nächste Überraschung: Jemand hatte unser komplettes Essen geklaut. Damit haben wir nicht gerechnet und da wir nur wenig Essen mit hoch gebracht hatten, mussten wir improvisieren. Zum Glück hatte unser Sherpa Pasang Natelempfang und konnte unten in der Base Camp Lodge anrufen um Essen für den nächsten Morgen "bestellen".
Mit uns ist auch das Fixingteam aufgestiegen. Sie wollten direkt ins Camp 2 aufsteigen um dann am nächsten Tag ein weiteres Fixseil im Great Couloir zu fixieren. Doch sie blieben über Nacht im Camp 1: „to much snow…“
Wir assen also unsere mitgebrachten Nudelsuppen und wärmten uns im Zelt auf. Wir wussten, dass es eine Vollmondnacht ist und so wagten wir uns nochmals aus den Zelten. Und das hat sich sowas von gelohnt. Der Mond ging auf und erhellte das komplette Tal. Was für ein traumhafter Anblick! Dies liess uns alle unseren Ärger über des geklaute Essen und die Strapazen im Schnee vergessen.
Da wir sowieso auf unser Essen warten mussten, hatten wir am Morgen genug Zeit und so warteten wir bis die Sonne unser Zelt gewärmt hatte, ehe wir uns aus unseren Schlafsäcken schälten. Natürlich brauchten auch die Träger bei diesen Verhältnissen länger und so warteten wir den ganzen Morgen. Immerhin war das Wetter super und so konnte sich der Schnee setzen. In der Zwischenzeit hatte das Fixingteam Camp 2 erreicht und versuchten das Couloir zu erklettern. Schon von weitem erkannte man, wie schwer sich die 4 Sherpas taten und kaum voran kamen. Kurz nach dem Mittag konnten wir dann endlich los. Die erste Passage ist eine Traversierung. Normalerweise ist das überhaupt kein Problem und beim letzen Mal als wir da durch gingen glich dies eher einem Wanderweg als einer Bergtour. Doch jetzt bei diesem vielen Schnee musste man bei jedem Schritt aufpassen, um nicht zusammen mit dem Schnee ins Tal zu stürzen. Zum Glück waren die Fixseile gut verankert und wir stapften weiter durch den Schnee. Weiter oben sahen wir, wie das Fixingteam auf gab und sich auf den Rückweg ins Basislager machten. Es stellte sich also auch für uns die Frage, ob unser Unterfangen überhaupt Sinn macht. Nach einer kurzen Diskussion war klar, dass wir abbrechen. Es hat einfach aktuell wirklich zu viel Schnee. Wir wussten nicht wie die Verhältnisse am Gipfelhang sind. Wenn 4 Sherpas es nicht durch das Great Couloir schaffen, wie sollen wir das zu dritt schaffen? Da auch kein anderes Team unterwegs war, um sich in gegenseitig zu unterstützen, stiegen wir bis ins Basislager ab. Von dort ging es dann am nächsten Tag nach Lukla und zurück in die Zivilisation nach Kathmandu.
Auch wenn der Gipfel immer das Ziel einer Expedition ist, gibt es nie eine Garantie, diesen auch immer zu erreichen. Die Natur ist stärker und dieses Mal war es für uns einfach zu gefährlich. Es bleiben trotzdem wunderschönen Erinnerungen, wir sind gesund wieder unten und werden bestimmt wieder kommen!