„Die Tage, an denen man eine Expedition abbrechen muss, hasse ich“, tönt es aus dem Zelt unseres Expeditionsleiters Andreas. Nachdem wir eine Nacht im Lager 2 auf 6550 m verbracht hatten, sind wir zurück im Lager 1. Die Entscheidung ist gefallen: Wir gehen nach Hause.
Wie kam es zu dieser Entscheidung und was ist seit unserem letzten Newsletter passiert? Nachdem wir fünf Ruhetage in unserem komfortablen Basislager verbracht hatten, machten wir uns am 26. September wieder auf den Weg Richtung Lager 1. Der Tropensturm aus Pakistan, der hier im Marshyangdi Tal mehr als 48 Stunden sein Unwesen getrieben hatte, hat viel Schnee auf unserer schwer erarbeiteten Route hinterlassen. „Es sieht aus wie ein anderer Berg“, bemerkte Laura während unseres Aufstiegs, wo das Kobler & Partner-Team erneut die Route finden musste. Es gelang uns, ein paar der fixierten Seile wieder auszugraben, jedoch benötigten wir erneut 11 Stunden, um das Lager zu erreichen. Allerdings waren wir an diesem Mittwochmorgen nicht alleine unterwegs. Die meisten Bergsteiger der anderen Expedition machten sich ebenfalls auf den Weg, um erst das Lager 1 und dann Lager 2 zu erreichen. Für Carlos Soria, der bereits zum neunten Mal sein Glück am siebthöchsten Berg der Welt versucht, sah die Route auch ganz anders aus. „So viel Schnee habe ich hier noch nie gesehen“, sagt der 79-jährige spanische Bergsteiger, der alle 14 8000er besteigen will . Am nächsten Tag begaben sich die Teams auf den Weg Richtung Lager 2, der aufgrund des Neuschnees und der brütenden Hitze am Gletscher sehr beschwerlich war. Nach ca. acht harten Stunden bauten wir mit Hilfe unserer drei Sherpas Tashi, Lale und Sonam zwei Plattformen auf dem Nordostgrat. „Das Lager 2 des Dhaulagiri muss regelrecht herausgehackt werden“, beschreibt Andreas den spektakulären Ort, der einen atemberaubenden Blick auf die Annapurna-Kette bietet. Nachdem wir uns in unseren Zelten bequem eingerichtet und noch schnell den Sonnenuntergang mit unseren Kameras festgehalten hatten, schliefen wir langsam ein. Die meisten von uns überlegten wohl, was der nächste Tag bringen würde, denn ein Aufstieg ins auf 7300 m gelegene Lager 3 war noch ungewiss.
Der folgende Tag begrüßte uns erneut mit viel Sonnenschein und nachdem wir unsere Kocher angefeuert und unseren Morgenkaffee mit Blick auf die schneebedeckten Berge getrunken hatten, war es immer noch nicht klar, wie es weitergehen soll. Steigen wir ab, oder steigen wir auf? Uns war bewusst, dass unsere drei Sherpas nicht in der Lage waren, die Seile ohne Hilfe des anderen Teams bis ins Lager 3 zu fixieren. Allerdings wollten wir uns die Chance, noch in dieser Rotation das Lager 3 zu erreichen, auch nicht nehmen lassen. Plötzlich stiegen vier Sherpas der anderen Expedition zu uns auf und verkündeten, dass sie einen Versuch Richtung Lager 3 starten würden. Tashi, Lale und Sonam packten sogleich ihre Rucksäcke und schlossen sich dem Sherpa-Team an. Wir entschieden, den Tag im Lager 2 zu verbringen und dann am nächsten Tag aufzusteigen. Nur Andreas war es nicht vergönnt zu rasten, denn wir hatten nicht genug Gas dabei, um zwei weitere Tage am Berg zu verweilen. „Einer muss ins Lager 1 absteigen und Gas holen“, verkündete er erwartend. Joni, jung und dynamisch wie er ist, bot seine Hilfe an, jedoch konnten wir gar nicht so schnell schauen und Andreas befand sich bereits auf dem Abstieg. Von unseren warmen Schlafsäcken beobachteten wir die Sherpas, die sich weiter oben durch den tiefen Schnee wühlten, jedoch sahen wir nur wenig Fortschritt. „Sie befinden sich schon gewiss seit einer Stunde an der selben Stelle“, sagte Joni, der mit seinem scharfen Schweizer Gucker das Team beobachtete. Und er hatte Recht. Zirka eine Stunde später kamen die Sherpas wieder herunter. „Impossible“, sagte Tashi, der offensichtlich sehr erleichtert war, wieder im Lager 2 zu sein. Das bedeutete das Ende der angepeilten Rotation ins Lager 3, auch wenn Andreas in der Zwischenzeit das benötigte Gas für ein paar weitere Tage ins Lager 2 geschleppt hatte.
Für uns war klar, dass wir keine weitere Nacht im Lager 2 bleiben und noch am gleichen Tag ins Lager 1 absteigen würden. „Das Lager ist zwar spektakulär, jedoch sicherer sind wir weiter unten“, sagte Andreas, der vorher noch kurz mit Meteotest in Bern telefoniert hatte. Leider hatten sie nur schlechte Nachricht für uns. Der Jetstream soll die Dhaulagiri-Region am 1. Oktober erreichen und bis mindestens 7. Oktober Winde von über 80 km/h mit sich bringen. Damit war die Entscheidung getroffen, denn auch wenn sich die Winde innerhalb einer Woche wieder legen würden, heißt es noch lange nicht, dass die Bedingungen am Berg besser werden. Trotz der Tatsache, dass Andreas Tage mit solchen Entscheidungen nicht leiden mag, war es für uns alle eine Erleichterung zu wissen, wie wir die nächsten vier Tage verbringen würden. Nämlich mit Essen, Schlafen, Packen und einem langen Trekkingtag nach Marpha. Von dort aus geht es nach Jomson und dann mit dem Flugzeug zurück nach Kathmandu, wo wir uns schon wieder auf den schönen Garten und das gute Frühstück im Shangri La Hotel freuen.
Unser Team verlässt den Berg natürlich schweren Herzens, jedoch hätten wir laut Expeditionsleiter Andreas bei besseren Bedingungen eine gute Chance gehabt, den Gipfel zu erreichen. „Das Kobler & Partner-Team ist nicht zu unterschätzen“, wiederholte er am Berg einige Male.