Leise rieselt der Schnee am Basislager des Dhaulagiri 1 - und das bereits am 21. September, dem offiziellen Herbstanfang. Wir haben Glück, denn nach zwei Nächten am Berg stiegen wir gestern (Donnerstag, 20. September) in einem Gemisch aus Wolken, Schnee und Sonne von unserem Lager 1 auf 5.800m wieder ins Basislager ab. Seit unserem letzten Newsletter hat sich einiges ereignet und so wollen wir die Schlechtwetterphase, die zwei oder drei Tage anhalten soll, dazu nutzen, unsere Leserschaft auf den neuesten Stand zu bringen. Derzeit sitzen die Mitglieder des Kobler & Partner Teams (Andreas, Yuri, Laura, Joni und Billi) in unserem gut isolierten und warmen Gemeinschaftszelt und trinken frischen Espresso mit unseren alten Freunden Sergey und Herbert, Teilnehmer der einzig anderen Expedition, die sich mit 10 Mitgliedern diesen Herbst am siebthöchsten Berg der Welt befindet.
Wir sind nun seit fast drei Wochen am Dhaulagiri 1, dem „weißen Berg“ im Westen Nepals, und unser Bergführer Andreas, Joni aus der Schweiz und Yuri und Laura aus Mexiko konnten bereits fünf Nächte im Lager 1 verbringen. „Wir kennen das Lager 1 inzwischen wie unsere Westentasche,“ sagt Yuri, auch wenn sich das Lager 1 bei der ersten Rotation noch an einer anderen Stelle befand. „Als wir das erste Mal ins Lager 1 aufstiegen, mussten wir erst einmal den Weg durch den völlig zerrissenen Gletscher finden, wofür wir fast 12 Stunden benötigten,“ erzählt Andreas. „Wir stellten unsere Zelte im Dunkeln auf ca. 5.700m auf, allerdings konnten wir die vielen Spalten um uns herum nicht sehen.“ Aus diesem Grund wurde das Lager bei der nächsten Rotation ca. 200 Meter höher verlegt.
Nach einer ersten Nacht auf Lager 1 und einer Erkundungstour bis auf ca. 6.300m ging es wieder zurück ins Basislager, wo unser deutscher Teilnehmer Florian entschied, dass er aufgrund einer alten Schulterverletzung, die ihm beim Rucksacktragen Schwierigkeiten bereitete, die Expedition verlassen musste. Am 12. September machte sich Florian gemeinsam mit unseren zwei Küchenjungs Karma und Lhakpa auf den langen Marsch nach Marpha. Sie verließen das Basislager bei strömenden Regen um 3 Uhr morgens und kamen 12 Stunden später im kleinen buddhistischen Dorf, das sich im Königreich Mustang befindet, an. Von dort ging es am nächsten Tag nach Jomson und dann mit dem Flugzeug nach Pokhara, der zweitgrößten Stadt Nepals. „Es ist sehr schade, dass uns Florian verlassen musste und wir vermissen ihn in unserem Team,“ so Andreas. Am gleichen Tag stieg der Rest des Teams erneut zum Lager 1 auf während Billi, die letzte Teilnehmerin der Expedition, das Basislager erreichte. Andreas, Yuri, Laura und Joni verschoben gemeinsam mit unseren drei Sherpas Tashi, Lale und Sonam das Lager 1 an einen besseren Ort, verbrachten eine Nacht dort und stiegen am nächsten Tag auf ca. 6.500m auf. „Eigentlich wollten wir das Lager 2 einrichten, aber das Wetter verschlechterte sich dort oben so sehr, dass wir auf ca. 6.500m etwas Material deponierten und wieder abstiegen,“ erzählt Joni. Am 15. September ging es zurück ins Basislager ab, wo Billi bereits sehnsüchtig auf ihre Expeditionskollegen wartete.
Dritte Rotation
Nach zwei weiteren Tagen machten wir uns erneut auf den langen Weg ins Lager 1. Der Einstieg in die Route erfordert äußerste Konzentration, denn diese führt mitten durch den sogenannten „Eiger“ - wenn man davor steht, weiß man sofort, warum dieser große Felsbrocken diesen Namen trägt. Man hat wahrhaftig das Gefühl vor einer kleineren Version der berühmt berüchtigten Eiger Nordwand zu stehen. Dieses Mal brauchten wir „lediglich“ 8 Stunden und 20 Minuten für den Aufstieg, was bislang der Rekord war. „Ich ziehe den Hut vor meinen Teamkollegen und ich habe keine Ahnung, wie sie den Weg vorbei an den unzähligen Gletscherspalten gefunden haben,“ sagt Billi. „Ich bin ihnen sehr dankbar.“ Bei schönem Wetter machten wir es uns in den bereits aufgestellten Zelten gemütlich und warteten auf den Anbruch des nächsten Tages, denn dann sollte es ins Lager 2 auf ca. 6.400m gehen. Wir brachen gemütlich um 8.30 auf und sahen die Sherpas der anderen Expedition, die den Weg zum Lager 3 fixierten.
Als wir unsere drei Sherpas auf ca. 6.000m erreichten, erfuhren wir von dem Unglück. Eine Lawine war über Lager 2 abgegangen und riss drei der sieben Sherpas mit. Zwei konnten sich aus den Schneemassen befreien, jedoch der junge Dawa Gyaljen Sherpa verschwand in den Schneemengen und konnte nicht mehr gefunden werden. Das Team stieg ab. Wir taten es ihnen gleich und kehrten ins Lager 1 zurück. „Ich denke, dass wir aus Respekt und den suboptimalen Bedingungen am Berg nicht weiter aufsteigen sollten,“ informierte uns Andreas - eine Entscheidung, mit der wir alle einverstanden waren. Am Nachmittag hörten wir noch den Helikopter, der den jungen Sherpa suchte, jedoch konnte leider nur ein Rucksack gefunden werden - er selbst wird wohl im ewigen Eis verweilen. Nach einer weiteren Nacht auf Lager 1 schälten wir uns am nächsten Tag um 5.30 aus den Schlafsäcken und stiegen erneut bei Sonnenschein Richtung Lager 2 auf, wo unsere drei Sherpas bereits ein Zelt aufgestellt hatten. Da jedoch der Wetterbericht für die kommenden zwei Tage ungünstig ist, entschieden wir uns noch am gleichen Tag abzusteigen.
Wie gehts weiter?
Jetzt werden wir zwei oder drei Tage in unserem gemütlichen Basislager ausharren, das köstliche Essen unseres Kochs Kancha sowie die Wärmflaschen, das frische Sodawasser, die typisch Schweizerischen Biberlis und den Kaffee, der uns morgens vor dem Aufstehen an unser Zelt gebracht wird, genießen. Weitere Entscheidungen werden wir treffen, wenn wir mehr über die Bedingungen am Berg sowie das Wetter wissen. Heute morgen fand eine Besprechung mit den Sherpas der anderen Expedition statt, denn jetzt müssen die Rollen verteilt und Pläne geschmiedet werden. Aber wie unser Expeditionsleiter Andreas wohlweislich erklärte: „Wir haben es alleine mit unseren Sherpas bis ins Lager 2 geschafft und ich denke, dass wir auch die höheren Lagen des Berges erreichen werden.“
Herzliche Grüße aus dem Basislager
Billi Bierling