Denali-Warming is not real!

„Denali-Warming is not real!“, würde ein gewisser Amerikaner mit Föhnlocke sicher gleich twittern.

Bericht von Uli Meyer, 28.05.2018

„Denali-Warming is not real!“, würde ein gewisser Amerikaner mit Föhnlocke sicher gleich twittern, wenn er die vergangenen zwei Wochen mit uns am Denali verbracht hätte - aber der Reihe nach ...

Nach einem guten Start mit nur einem Tag Verspätung von Talkeetna auf den Kahiltna-Gletscher zu fliegen (eine Gruppe Franzosen aus Chamonix hatte bereits 4 Tage in Talkeetna gewartet), war ein gutes Zeichen und so starteten wir gleich vom BC aus in Richtung C1.

Schwere Rucksäcke und Schlitten drückten uns tief in den Neuschnee der letzten Tage auf dem Gletscher, bis wir nach 6 Stunden das Lager erreichten. Am nächsten Tag ging es gleich weiter mit leichterem Gepäck, um ein Cache (=Depot) in der Nähe des Kahiltna-Pass zu errichten bzw. zu vergraben.

Das Wetter war bedeckt und zunehmend windig mit leichtem Schneefall und wenig Sicht im Abstieg. Für den dritten Tag wäre geplant gewesen, das zweite Lager auf 10‘000 Feet (3000 m) zu erreichen und dort für die kommenden zwei Nächte unser Lager zu errichten.

Doch es kam ganz anders ... im Zustieg zum Kahiltna-Pass wurde das Wetter schlechter und schlechter, es begann zu schneien und die Orientierung auf den großen Gletscherflächen wurde zunehmend schwierig. Unser Depot vom Vortag konnten wir aufgrund der erstellten GPS-Koordinaten gut ansteuern, unser Ziel war es jedoch das C2 zu erreichen. So versuchten wir zweimal den „Durchschlupf“ auf den oberen Gletscher zu finden, um auch noch die letzten zwei Stunden Aufstieg hinter uns zu bringen. Doch im kompletten Whiteout war es unmöglich, auch nur irgendwelche Konturen des Gletschers zu erkennen. Hinzu kam, dass Wind und Schneefall an Stärke immer mehr zulegten. Wir suchten uns einen ebenen Platz unterhalb des Passes und begannen dort unser (Not-)Lager zu errichten, ohne zu wissen, dass uns der bevorstehende Sturm dort für die nächsten drei Tage festsetzen würde.

Im Verlauf der Tage fiel ein guter Meter Neuschnee mit permanentem Wind von 70-80 km/h. Die Sicht war teilweise so schlecht, dass wir das nächste Zelt nicht sehen konnten und an ein Ausgraben unseres Depots (200 m entfernt!) mit benötigtem Essen war überhaupt nicht zu denken. Als Essen & Benzin dann wirklich knapp wurden, starteten wir zu viert eine Nachtaktion um unser Depot auszugraben. Der Rest der Gruppe schaufelte sich im Stundenrhythmus durchs Lager, um den ganzen Schnee (aufgrund großer Verfrachtungen) von unseren Zelten zu schöpfen und die Hauptwege im Lager einigermaßen begehbar zu halten. So vergingen drei Tage in den Schlafsäcken - mit Unterbrechungen zum Essen und zu Schaufeln als einziger Beschäftigung. Einige Gruppen, die mit uns das Flugfenster auf den Gletscher genutzt hatten, verloren in diesem Sturm ihre Zelte durch Stangenbruch und Risse in den Planen, so auch die unglücklichen Chamoniarden, die ihr Lager auf halbem Weg zum Pass errichtet hatten. Für sie blieb nur der Weg zurück ins BC, um wieder zurück nach Talkeetna zu fliegen. Nach Aussage der BC-Chefin Liza der schlimmste Sturm, den sie in all den Jahren im BC erlebt hatte.

Ein nicht vorhergesagter Schönwettertag brachte uns nach vier Tagen dann endlich mit unserem gesamten Material und Lager ins C2. An einen anfänglich geplanten Materialtransport hängten wir noch einen zweiten Aufstieg zum Lager zwei mit dem gesamten Material und den Zelten an, so froh waren wir nach den Tagen im Zelt über Bewegung und Sonne. Es folgte ein weiterer Schlechtwettertag im Zelt und dann ein Aufstieg bei stürmischem Wind und Schneefall zum Lager 3 (Medical Camp) mit erstem Material und Essen. Das Wetter wollte nicht zur Ruhe kommen.

Unsere Telefonate mit Meteotest-Bern versprachen nichts Gutes und auf lange Sicht keine Stabilisierung der Wetterlage, geschweige denn ein Wetterfenster für einen Aufstieg ins Hochlager oder zum Gipfel.

Eine Schlüsselstelle bei der Denali Besteigung ist der Flug auf den Gletscher ins BC und vom BC wieder zurück nach Talkeetna. Der Flug mit den einmotorigen Otter-Maschinen kann nur bei guter Sicht durchgeführt werden. Wartezeiten in Talkeetna oder zurück aus dem BC sind bei unsicherem Wetter die Regel. 2017 hatten wir den letzten Flug aus dem BC gerade noch erreicht, bevor sich das Wetterfenster schloss, für die Gruppen hinter uns folgten 10 Tage Warten im BC auf den nächsten Flugtag.

Mit diesem Wissen und diesen Erfahrungen im Hinterkopf, den bereits erlebten Wetterkapriolen und den Wetteraussichten der kommenden Woche durch Ralph Rickli und seinem Team in der Hand (besten Dank hierfür!!!), entschieden wir uns im Teamgespräch für einen Abbruch der Expedition. Die Aussichten waren einfach zu schlecht und weitere Tage wartend im Schlafsack keine Option. So machten wir uns ein weiteres Mal bei windigem Wetter auf ins C3, um unser deponiertes Material zu holen und das mühsam hinauf beförderte Essen und Benzin an sehr dankbare Abnehmer im Medical Camp zu verschenken, was uns aber die Mühen des Heruntertragens ersparte ... wie von Raben wurden wir von 8-10 Alpinisten umringt, als wir die Säcke mit dem Essen öffneten.

6 Stunden benötigten wir für die fast 20 Kilometer über den Kahiltna-Gletscher zurück ins BC ... von uns „Walk of Shame“ getauft. Es folgte noch ein Tag Warteschleife im BC, bevor wir wieder die Motoren der Otter hören sollten.

Die Wetterprognosen sollten recht behalten, 6 Tage nach unserem Flug aus dem BC war nach Aussage unseres amerikanischen Führers immer noch kein Team auf dem Gipfel des Denali gestanden und wir hätten die Tage im C3 tatsächlich in den Zelten verbracht. Trotzdem war es ein schwerer Entscheid für ein so leistungsstarkes und motiviertes Team gewesen, den Rückzug anzutreten. Auf diesem Weg nochmal herzlichen Dank an Alois, Beat, Erwin, Helmut und Matthias für immerwährende Motivation und Teamgeist an den Schaufeln, Schlitten und beim Erstellen der Lager. Der Denali ist eine sehr arbeitsreiche Expedition und nur mit Teamwork und mit allen verfügbaren Händen im Tiefkühlschrank der USA zu meistern ... Danke.